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Auswirkungen des Konzils
De Rosa sieht ihr Gewicht darin, daß die italienischen Kommunisten zwangsläufig zu einer geringeren Feindseligkeit gegenüber der Kirche hingeführt werden, indem sie die Person und das Werk Johannes’ XXlII., des Konzils und Pauls VI. mit einer gewissen Sympathie betrachten. Diese Wandlung könne, dem Verfasser zufolge, darauf zurückgehen, daß die Kommunisten spüren, in der Kirche sei mit dem Konzil „etwas“ vor sich gegangen.
De Rosa verkennt freilich nicht,
daß die Kommunisten taktische Ziele verfolgen: der DC den konfessionellen Flankenschutz zu nehmen, zu bewirken, daß sich die Katholiken der Verpflichtung entbunden glauben, für die katholische Partei stimmen zu müssen. Dazu soll die Kirche beitragen, und als Gegenleistung bietet man ihr die volle Freiheit an. Pietro Ingrao, heute die Nummer 2 im italierfischen Kommunismus, hat „einen tiefen Widerspruch zwischen dem erlebten katholischen religiösen Bewußtsein und der gegenwärtigen kapitalistischen Wirklichkeit“ herausgefunden und einen „Zwiespalt zwischen den religiösen Werten und der modernen kapitalistischen Ordnung, die sich unter den Katholiken ausbreitet“. In diesem Punkt trifft sich Ingrao mit den auch im Konzil ausgesprochenen Meinungen, wonach der Atheismus der modernen Wohlstandsgesellschaft der Kirche noch gefährlicher sei als der des historischen Materialismus und keine geringere Verurteilung verdiene. Es gehörte das auch zu den Argumenten, warum sich das Konzil nicht zu einer formellen Verurteilung des Kommunismus bereitfand.
Episoden…
Presseorgane der konservativen Rechten beklagen, daß sich der sogenannte Dialog zwischen der katholischen und der kommunistischen Welt nunmehr rasch zu Formen entwickle, „die für die Demokratie höchst gefährlich sind“. Ist man wirklich so weit?
Ist die Kirche etwa im Begriff, den „Kommunismus zu taufen“? Aber Stellungnahmen wie jene der „Nuova Stampa“ sind nicht weniger taktisch gemeint als die kommunistischen. Die von ihr angeführten Episoden haben schwerlich Beweiskraft: die Abreise einiger katholischer Persönlichkeiten, wie des DC-Abgeordneten De Mita, des Sekretärs der DC in der Region, Aemilien Corghi, des Chefredakteurs der „Aggiornamenti Sociali“, P. Mario Castelli, und des Chefredakteurs von „Questitalia“, Dorigo, nach der Sowjetunion unter der Ägide der Italienisch-Sowjetischen Gesellschaft; die Ankunft des sowjetischen Außenministers Andrej Gromyko in Rom und seine Begegnung mit dem Papst im Vatikan; die Teilnahme von La Pira und seinem Freund Primicerio (bekannt geworden durch die gemeinsame Friedensmission in Hanoi) neben dem Kommunistenfreund und Nenni-Widersacher Riccardo Lombardi,neben dem Sachbearbeiter für außenpolitische Angelegenheiten in der KP, Gulluzzi, an einem Round-Table-Gespräch in Paris, „in einer Atmosphäre des Philokommu- nismus und des Philogaullismus“; die ehrfurchtsvollen Worte, die das kommunistische Parteiblatt „Unitä“ dem Besuch Pauls VI. auf dem Kapitol widmet usw. Es ist jedoch leicht, festzustellen, daß es sich bei den genannten katholischen Persönlichkeiten um Außenseiter handelt: La Pira ist auch von kirchlicher Seite desavouiert worden, und gegen Corghi hat die DC ein Disziplinarverfahren wegen unqualiflzierbarer prokommunistischer Äußerungen durchgeführt.
Der „neue Ton"
Aber es bleibt die Tatsache, daß sich die Sprache in der katholischen Publizistik gegenüber den Kommu nisten geändert hart und daß zum erstenmal ein russischer Außenminister den Papst besucht. Es ist das an und für sich ein Ereignis, auch wenn keine unmittelbaren, direkten, konkreten Ergebnisse zum Vorschein kommen. Die katholische Kirche hat seit dem Tode des Papstes Pacelli auifgehört, eine vorwiegend italienische Politik zu betreiben, und sich auf die Weltbühne gewagt. Sie hat dabei ein sehr kompliziertes und riskantes diplomatisches Spiel eingeleitet, dessen Gefährlichkeit vor allem darin besteht, daß es die Katholiken im Westen nicht verstehen und Mißverständnissen unterliegen können. Auf der anderen Seite mußte die Kirche der Tatsache Rechnung tragen, daß ein Drittel der Menschheit unter der Herrschaft von Sichel und Hammer lebt und daß diese Herrschaft der Kirche bereits enorme Substanzverluste verursacht hat und noch verursachen kann. Zu erhalten, was zu erhalten ist, zu retten, was zu retten ist, die Situation von Millionen Katholiken im europäischen Osten erträglicher zu machen, das sind Ziele, derentwegen auch Risiken übernommen werden müssen.
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