Eine Symphonie, 24 Stunden lang

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Der Esquinas-Regenwald in Costa Rica.

Zunächst sieht man vor lauter Wald die Bäume nicht. Erst nach und nach gewöhnen sich unsere europäischen Augen an das überbordende Grün des tropischen Regenwaldes und beginnen die vielen Details wahrzunehmen: leuchtend rote Blüten, Insekten in allen Farben und Formen, durch das Blätterdach eilende Vögel. Auch unser Gehör ist mit einer ungewohnten Fülle der Sinneseindrücke konfrontiert: Tukane und Brüllaffen, Frösche und Zikaden sorgen für eine 24-stündige Symphonie der Natur.

Umstellung ist überhaupt eines der Schlüsselworte, wenn man von einem Land mit neun Grad im Jahresmittel nach Costa Rica kommt, wo es konstant 25 Grad hat und wo die jährliche Niederschlagsmenge mit über sechs Metern das Zehnfache jener von Wien beträgt.

José Angel, unser Guide, zeigt auf eine Lanzenotter, die ruhig auf einem Stein im Flussbett liegt. Wir sind froh, dass in der "Esquinas Rainforest Lodge" Führer bereit stehen, um uns das Schauen zu lehren und uns auf gefährliche oder giftige Tiere und Insekten aufmerksam zu machen. Auch den berühmten Rotaugenfrosch, eines der Symboltiere Costa Ricas, hätten wir ohne seine erfahrenen Augen wohl übersehen.

Ein Teil des Esquinas-Regenwaldes ist durch Wege erschlossen und lässt sich auch auf eigene Faust erkunden. Als Einstieg folgen wir dem "sendero catarata", der uns auch die sehr willkommene Möglichkeit bietet, in einem kleinen Wasserfall eine erfrischende Dusche zu nehmen. Die Kraft des Urwalds - im einst kahlgeschlagenen Europa (fast) nur noch eine Erinnerung - ist hier im Esquinas-Regenwald deutlich fühlbar.

Zerstörter Regenwald

Doch auch in Costa Rica ging die Zerstörung der Regenwälder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in atemberaubendem Tempo vor sich: In nur 50 Jahren wurde die bewaldete Fläche beinahe auf ein Drittel reduziert. Noch 1986 hatte Costa Rica die weltweit vierthöchste jährliche Entwaldungsrate.

Doch die Regierung besann sich eines Besseren und stellte einen großen Teil der verbliebenen Naturwälder unter Schutz. Insgesamt umfasst die Nationalparkfläche heute 25 Prozent der Landesfläche (in Österreich entspräche dies der Fläche Kärntens und Tirols zusammen). Schon auf unserem Flug von San José, der Hauptstadt Costa Ricas, nach Golfito im Süden konnten wir sehen, wo die geschützten Gebiete des Esquinas-Regenwaldes aufhören und das Land von üppigem Grün in Brauntöne übergeht.

Dass es diesen Wald überhaupt noch gibt, ist zu einem wesentlichen Teil der Initiative von Michael Schnitzler, Professor an der Musikuniversität Wien und Enkel Arthur Schnitzlers, zu verdanken. Die Regierung Costa Ricas hatte den Esquinas-Wald zwar 1991 zum Nationalpark "Piedras Blancas" erklärt, doch dieser existierte vorerst nur auf dem Papier. Denn der Wald gehörte etwa 140 Kleingrundbesitzern, meist Bauern aus den umliegenden Dörfern, und diese sollten nicht in ihren Rechten, wie etwa Abholzungsgenehmigungen, eingeschränkt werden.

Freikauf von Flächen

Es fehlten aber die Mittel, um die gefährdeten Grundstücke zu kaufen und damit das Gebiet unter Schutz zu stellen. Also gründete Schnitzler den Verein "Regenwald der Österreicher" und begann Spenden zu sammeln, mit denen die bedrohten Grundstücke gekauft und (mit vertraglicher Garantie ihres Schutzes) der Nationalparkverwaltung geschenkt werden. Der Erfolg: Mittlerweile ist die Hälfte de rund 140 Quadratkilometer großen Gebietes freigekauft, davon etwa 28 mit Spenden aus Österreich.

Von Golfito kommt man bequem zur Esquinas Rainforest Lodge, die nur wenige Kilometer von der "Interamericana" entfernt direkt am Rand des freigekauften Gebietes liegt. Sie wurde auf einer ehemaligen Weide als Entwicklungshilfeprojekt der Republik Österreich errichtet, um der Bevölkerung ein Einkommen aus dem intakten Wald zu ermöglichen.

José Angel ist ein gutes Beispiel für die Änderungen durch das Projekt: "Schon mit zwölf Jahren schickte mich mein Vater alleine zur Jagd, denn wir waren arm und meine Familie brauchte etwas Essen. Für die Schule blieb da nicht viel Zeit. Die Abnehmer bezahlten für ein Aguti das Gleiche, wie Bananenarbeiter in zwei Wochen verdienten. Aber die Tiere wurden immer seltener, und so musste ich tiefer in den Wald hinein."

Heute ist José Angel Wildhüter und Führer, wurde also vom Schützen zum Schützer. Noch dazu züchtet er mit großem Enthusiasmus Agutis, die im Wald ausgewildert werden sollen - also genau jene Nagetiere, die er vor einigen Jahren selbst gejagt hat.

Es ist März und daher Hochsaison. Im Esquinas-Regenwald gibt es zwar keine Trockenzeit, aber von Dezember bis April fällt am wenigsten Niederschlag. Die meisten Touristen, die wir treffen, stammen aus Österreich, und nicht wenige von ihnen sind symbolische "Anteilsbesitzer" am Regenwald. Schon auf dem Gelände der Lodge herrscht ein verblüffender Reichtum an Tieren und Pflanzen, vom Kaiman im nahen Teich bis zu den über 200 Vogelarten, die bisher auf dem Gelände gezählt wurden. So sitzen wir lange auf der Veranda im Lehnstuhl und schauen einfach, lauschen und entspannen.

Unterwegs im Wald treffen wir dann neben einer Unzahl unbekannter Arten auch auf einige alte Bekannte, wie etwa Monstera oder Columnea, die in vielen unserer Wohnungen zu finden sind. Denn diese Pflanzen sind daran angepasst, unter den sehr lichtarmen Bedingungen zu gedeihen, wie sie unter dem dichten Blätterdach des Tropenwaldes, aber auch in Wohnungen, vorherrschen.

180 Baumarten

Dank der Arbeit an der "Tropenstation La Gamba", die von zwei Botanikern der Universität Wien geführt wird und schon von über 40 Studenten für ihre Diplomarbeit genutzt wurde, ist heute bekannt, dass der Esquinas-Regenwald eine der höchsten Dichten an Gehölzspezies aufweist: Über 180 Baumarten konnten auf einem einzigen Hektar identifiziert werden. Zum Vergleich: In ganz Mitteleuropa gibt es 53 heimische Baumarten.

Eine beeindruckende Baumart ist die Würgerfeige, deren Anblick auf eine berührende Weise die Lichtkonkurrenz im Regenwald veranschaulicht. Ihr Same keimt in der Astgabel eines Wirtsbaumes, schickt lange Wurzeln bis zum Boden, die immer dicker werden und schließlich den Wirtsbaum erdrücken. Eine andere Lösung für das Lichtproblem hat die "Wanderpalme" gefunden. Sie treibt Stelzwurzeln immer in die Richtung, in der Licht durch das Blätterdach fällt und kann so langsam ihren Standort verlagern.

Die Pflanzen haben aber auch noch mit anderen Herausforderungen fertig zu werden, etwa der Nährstoffversorgung. Hier wurden die Strategie der "Abfallsammler" näher erforscht. Diese formen Trichter mit ihren Blattachseln und fangen darin Laub und andere organische Abfälle. Diese werden dann in luftiger Höhe kompostiert und der Humus gleich mit kurzen Wurzeln durchwachsen und ausgewertet.

Um die vielen prächtigen Blüten - Orchideen, Helikonien, Passionsblumen und viele ander - schwirren Kolibris. Sie sowie andere Vögel und die teilweise bizarren Insekten bekommt man leicht zu Gesicht. Schlangen, Frösche oder Säugetiere stellen höhere Ansprüche an die Geduld und die Aufmerksamkeit der Besucher. Ihr Anblick bereitet dann aber umso mehr Freude.

Zurück in der Lodge kann man den Tag mit einem erfrischenden tropischen Drink im Haupthaus ausklingen lassen, dessen Dach aus 60.000 Palmenblättern gebaut wurde. Still wird es im Regenwald freilich nie. Die Nacht ist die Zeit des Froschkonzerts und der Fledermausbeobachtung. Oder war das gerade ein Nasenbär, der am Schwimmbad vorbeigehuscht ist?

Regenwald-Anteile

Der Freikauf des Esquinas-Regenwaldes erfolgt mit Spendengeldern aus Österreich, wobei (entsprechend dem durchschnittlichen Kaufpreis) pro 8 Euro 100 Quadratmeter Regenwald gerettet werden. Die freigekauften Grundstücke werden in den Nationalpark "Piedras Blancas" eingegliedert und stehen damit dauerhaft unter Schutz. Die Spenderinnen und Spender erhalten (ab 100 m2) ein symbolisches Anteilszertifikat am "Regenwald der Österreicher", das sich auch gut als Geschenk eignet.

Info:

Regenwald der Österreicher,

Pf. 500, 1181 Wien, Tel: 01/470 19 35, info@regenwald.at

www.regenwald.at

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