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Österreichs Regenwald in Costa Rica

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Als Columbus die „reiche Küste” (\ von Costa Rica einst ansteuerte, JL erwartete er riesige Goldvor-kommen. Sie fanden sich nicht, und so konnte 1 das Land seine wahren Schätze bis heute bewahren. In dieser stabilsten Demokratie Mittelamerikas sind inzwischen alle bis zu Kellnern und Taxilenkern stolz auf ihre Regenwälder. Einer dieser AYälder ist mit Spendengeldern aus aller Welt, besonders aber Österreichs, schon zu mehr als der Hälfte losgekauft. Der Musiker Michael Schnitzler, ein Enkel unseres Jahrhundertwende-Dichters, betrieb treuhändig und umsichtig die gezielten Freikäufe, und Bernd Lötsch präsentiert deren Ergebnisse bis zum Jänner 1997 in einer Sonderausstellung des Naturhistorischen Museums.

Schausäulen geben schon im Foyer dreidimensionale Einblicke in den Aufbau des Regenwalds, der im ersten. Stock lebendig als Vivarium empfängt. Im Kindersaal laden neue Aquarien zur Beobachtung des Fisch-brutverhaltens in den Gewässern ein. Im obersten Stock erwartet, wie ein Dachbodengeheimnis, die ganze Komplexität jenes Esquinas-Regen-walds der Österreicher, an dem wir ein universitäres Forschungszentrum und eine Besucherlodge unterhalten. Auch den Blattschneidameisen kann man hier bei ihrer Arbeit zuschauen!

Aus der „grünen Hölle” wird so mit wachsendem Verständnis der Zusammenhänge immer mehr ein grünes Paradies, wie auch unser biblisches Eden es gewesen sein muß. Dennoch werden täglich 19 Millionen Bäume davon gefällt und haben wir so weltweit bereits ein gutes Drittel abgeholzt, obwohl wir längst wissen, daß es das globale Klimagleichgewicht sichert!

90 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten sind im Regenwald zu Hause

Das geschlossene System Begenwald erzeugt sein eigenes Klima, sogar eigene Trinkwasserbäche, beherbergt 90 Prozent aller Tier- und Pflanzen -arten und liefert 2.000 Gewächse mit krebsheilenden Eigenschaften, darunter das rosa Immergrün, das vier Fünftel aller leukämiekranken Kinder rettet!

Unsere anspruchslosen Zimmerpflanzen werden in ihm 30 Meter hoch, allein 6.000 Insektenarten verstecken sich in seinen verflochtenen Lebensgemeinschaften, die einen stillen zähen Kampf um Licht und Nahrung führen. Die enorme Zerstörbarkeit des Begenwalds auf nur dünnem Humus beruht darauf, daß alles aufeinander abgestützt ist und die Nährstoffe ständig in ihm kreisen, während er in höchst dynamischen Wasser- und Lichtgleichgewichten förmlich über dem Boden schwebt.

Das Ganze ähnelt der Ballkaskade eines Jongleurs, die im Augenblick zusammenbricht, da man eingreift. Selbst das Fällen einzelner Edelhölzer schädigt ihn substantiell und die Erosion der Tropengewitter von vielfacher Heftigkeit besorgt dann den Best. Wer aber ist der Jongleur?

Die indische Mythologie kennt das Gleichnis der Welt als Wassertropfen, der in der Lotosblüte zittert, außerordentlich verletzlich und fast schon Chimäre, gleichzeitig wirklich und unwirklich so wie hier Schmetterlinge ohne jeglichen blauen Farbstoff bei gewisser Sonneneinstrahlung bläulich, dann wieder erdbraun schillern.

Sogar eine kleine Giftschlange gibt es in diesem irdischen Paradies, das ohne menschliches Zutun hervorragend funktioniert und durch Selbstregelung und Schönheit all unsere industrielle Geordnetheit und Menschenwerke weit in den Schatten stellt. Auch das Schlänglein, das man lange genug suchen muß, hat hier seinen Platz im Gesamtkonzept von Eden, in das wir zu ungestüm und unkundig überall einbrachen, das wir aber wiedergewinnen könnten - um 35 Groschen pro Quadratmeter!

Diesen Grundpreis legte die Begie-rung, die immer noch zur Ausgabe von Bodungslizenzen gesetzlich verpflichtet ist, fest. Wie wäre es mit einem umweltorientierenden Museumsbesuch?

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