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Neuer Dualismus

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Ab 1. Jänner 1969 hat die Tschechoslowakische Sozialistische Republik eine neue Verfassung. Sie besteht von diesem Tag am aus trätet souveränen Staaten, der Tschechischen und der Slowakischen Sozialistischen Republik. Jeder Staat hat sein Parlament — genannt „Natio- nialrat“ —k daneben gibt es noch ein gemeinsames Parlament, bestehend aus zwei Kammern, der Volkskammer und der Kammer der Nationen. Alle drei Parlamente zusammen werden rund 700 Abgeordnete zählen. Jeder der beiden Staaten hat seine eigene Regierung, daneben gibt es noch eine gemeinsame, die für die „gemeinsame“ Armee, die „gemeinsamen“ Finanzen, die „gemeinsame“ Außen- sowie Außenhandelspolitik sowie soziale Fragen und Planung zuständig ist. Neben Parlament und Regierungen gibt es noch drei Oberste Gerichtshöfe, einen tschechischen, einen slowakischen und einen gemeinsamen. Ferner sieben gemeinsame Ausschüsse, mit Ministem an der Spitze, so daß die neue föderalistische Republik nicht weniger als 54 Minister besitzen wird.

Die Folgen dieser neuen Verfassung werden nicht billig sein. Denn diese riesige Ansammlung von Ministerien, Gerichtshöfen und Parlamenten muß natürlich große Summen verschlingen. Die Nutznießer dieser neuen Verfassung sind eindeutig die Slowaken, stehen doch neun Millionen Tschechen nur vier Millionen Slowaken gegenüber, deren kleiner Staat die gleichen Rechte hat wie der große tschechische. Die Kosten dieses teuren Experiments werden außerdem zu zwei Drittel die Tschechen und nur zu einem Drittel die Slowaken bezahlen. Die Slowaken, Jahrzehntelang in der Monarchie von den Magyaren unterdrückt, haben einiges von ihren Unterdrückern gelernt; denn auch der ungarische Teil der Monarchie zahlte zu den gemeinsamen Ausgaben nur 30 (und später 36) Prozent, und hatte dennoch die gleichen Rechte wie der zisleithanlsahe Partner. Überhaupt mutet diese neue Verfassung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik wie eine Wiedergeburt der alten k. u. k. Zustände an, so daß man versucht ist, den Ruf auszu stoßen: „Der Dualismus ist tot, es lebe der Dualismus.“

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