Ratlosigkeit im Umgang mit Terror macht sich breit; Frankreich ruft alle Bürger zum freiwilligen Dienst als Reservisten in der Polizei auf. Die Frage, wie der Staat persönliche Sicherheit gewährleisten kann, steht unbeantwortet im Raum. Vielleicht auch deshalb, weil der Staat als dem Bürger gegenüberstehende Institution gesehen wird, von der Sicherheit gefordert wird. Zumal in der Demokratie bilden freilich die Bürger selbst den Staat und müssen daher die Bedingungen für Sicherheit und Vertrauen selbst schaffen.
Seltsam: Über Jahre und Jahrzehnte haben viele geglaubt, dass in einer immer pluralistischer werdenden Zeit innerer gesellschaftlicher Friede durch größtmögliche Gleichheit in den materiellen Lebensbedingungen erreicht werden kann. Stimmt diese These wirklich? Wird dabei nicht übersehen, dass verschiedene Lebensweisen auch bei großer materieller und sozialer Gleichheit nur dann neben- und miteinander möglich sind, wenn ein Mindestmaß an Gleichheit in grundlegenden Vorstellungen von Menschenbild und Gesellschaftsverständnis besteht? Dieses umfasst in Europa wesentlich auch die prinzipielle Akzeptanz unterschiedlicher Lebensweisen, solange sie nicht gegen demokratisch legitimierte Gesetze verstoßen.
Nur wer diesen Basiskonsens über Mensch und Gesellschaft innerlich bejahen kann, passt auf Dauer in eine europäische Gesellschaft. Wer hingegen meint, dass Menschen, die aus seiner Sicht falsch leben, vernichtet werden müssen, hat in Europa nichts verloren.
Ehe wir Bürger als polizeiliche Reservearmee dienen, sollten wir uns in den Dienst des Staates stellen, indem wir eine communis opinio über das friedliche Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft propagieren -in allen Bereichen der Gesellschaft!
Der Autor ist Professor für Arbeits- und Sozialrecht und Leiter des Instituts für Familienforschung
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