Von Friedrich Heer die furche, 21. 7. 1962, am Vorabend des Zweiten Vatikanischen Konzils
Theologie war vielleicht allzu lange und für allzu viele Menschen eine papierene Sache: nicht zuletzt für viele Priester, die von seiten der Theologie als Wissenschaft nicht die Hilfe erhielten, die sie als Seelsorger an der Front des Menschen brauchen.
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Karl Rahner, einer der bedeutendsten lebenden katholischen Theologen, dessen Wort, wie wir hoffen, auf dem kommenden ökumenischen Konzil auch von seiten der lateinischen Welt die hohe Beachtung finden wird, die er seit langem im deutschen, französischen und auch nordamerikanischen Sprachraum besitzt, vereinigt in höchst persönlicher Weise beides: hohe theologische Wissenschaft und Seelsorge. Karl Rahner ist Hörer und Künder des Wortes Gottes. Dieser so "unauffällige", "kleine Mann" ist ein Großer im Reiche des Geistes, ein Bruder seiner Priesterbrüder, ein treuer väterlicher Freund des Laien, der sich heute als erwachender Christ mit mehr Fragen und Schwierigkeiten konfrontiert sieht, als sich Klerus und kirchenfromme Laienschaft gestern und vorgestern träumen ließen.
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Dieser "unscheinbare" 58jährige Jesuit ist heute für viele Menschen, weit über Europa und auch weit über die katholische Kirche hinaus, ein lebendiges Zeichen für ein Wachsen des Geistes und der Geistesfreiheit im europäischen Christentum. Wo man Karl Rahner liest, hört, aufmerksam vernimmt, da ist. Katholizismus des 20. Jahrhunderts präsent.
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