Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Karl Rahner: War er ein „theologischer Atomphysiker"?
Vor 90 Jahren wurde Karl Rahner (5. März 1904 bis 30. März 1984) geboren, vor zehn Jahren ist er gestorben, mehr als genug Anlaß, seiner zu gedenken.
Vor 90 Jahren wurde Karl Rahner (5. März 1904 bis 30. März 1984) geboren, vor zehn Jahren ist er gestorben, mehr als genug Anlaß, seiner zu gedenken.
Bei den Salzburger Hochschulwochen 1937 begegneten sie einander zum ersten Mal. Der eine trug als junger Dozent Überlegungen zu Religionsphilosophie und Theologie vor, die später unter dem Titel „Hörer des Wortes" erschienen (1941). Der andere fungierte als Repetitor: er ging mit Interessierten die Vorlesungen noch einmal durch. P. Karl Rahner SJ war der eine, Franz König der andere.
25 Jahre später - der eine war inzwischen I’Lrzbischof von Wien geworden, der andere Dogmatikprofes-sor in Innsbruck - gaben die beiden \v’ieder ein Team ab. Kardinal König kostete es Mühe, den brummigen Jesuiten zu motivieren, als sein theologischer Berater (Peritus) mit zum Zweiten Vatikanum zu kommen. Der Jesuitenprofessor hatte seine römischen P>fahrungen: In den fünfziger Jahren gab es Schwierigkeiten mit dem Heiligen Offizium, der nachmaligen Glaubenskongregation. Einige geplante Veröffent ichungen passierten das ordensinterne Plazet nicht. Und noch 1962 war Rahner mit einer Vorzensur belegt worden, - eine Schutzmaßnahme, wie Kardinal Ottaviani befand.
Das Konzil machte Rahner über den binnenkirchlichen Raum hinaus bekannt. Internationales Ansehen hatte er bereits durch die 1957 begonnene Herausgeberschaft des „Lexikons für Theologie und Kirche" und die 1959 vorgelegte Sammlung pastoraltheologischer Beiträge „Sendung und Gnade" erlangt. Herausgefordert durch die Fragen seiner Zeit, versuchte Rahner mit anderen die Enge aufzusprengen, in die Kirche und Theologie geraten waren.
Die Enzyklika „Humani generis" (1950) hatte noch zu bremsen versucht und innovativen Theologen einen Maulkorb verpaßt. Aber: die „Apertura", die Öffnung zur Welt -„Aggiornamento" - war nicht aufzuhalten. Rahner kannte die Tradition besser als seinen Gegnern lieb war, die sich selber als Inbegriff von Orthodoxie ansahen. Weil er die kirchliche Überlieferung so gut kannte, konnte er kreativ damit umgehen und darin schöpferische Impulse für die Gegenwart aufspüren.
Rahner hat Wissen nicht steril verwaltet und theologische Daten unabhängig von neuen, sich pastoral aufdrängenden Fragen tradiert. E,r hat sich von den Problemen eines geänderten Welt- und Kirchenverständnisses herausfordern lassen. „Kontextuelle Theologie", wie sein Schüler Herbert Vorgrimler befindet. Kirchlicher Triumphalismus war ihm zuwider, auch jener, der sich intellektuell tarnt.
Der Professor Karl Rahner war zugleich Confessor, ein Bekenner des Glaubens. Akademische Attitüden waren ihm, dem scheuen Alemannen, eher peinlich. Er wollte der „Pater Rahner" sein. So kann es nicht überraschen, daß theologisches wie geistliches Schrifttum bei ihm (nachweislich) immer Hand in Hand gingen, und das eine nicht begann, als das andere nicht mehr ,ging’. Deshalb ist „.^.„««««i auch einsichtig, weshalb Rahner als Prediger, Seelsorger und Exerzitienbegleiter anzutreffen ist.
Seine immense Schaffenskraft hielt bis ins hohe Alter an. Nach Professuren in Innsbruck (1936/39 und 1949-1964), München (1964/67) und Münster (1967/71), widmete Rahner sich der Deutschen Synode in Würz-bürg. Hieß es vorher mit Blick auf das Konzil, er habe dieses manipuliert, so hieß es jetzt, die Synode sei „rahner-hörig".
Vor dem Marsch ins Getto hat der Theologe schon in den fünfziger Jahren gewarnt. Eine Kirche mit Sektenmentalität, die sich gesundschrumpft, richte sich von selbst.
Wenige Wochen vor seinem Tod am 30. März 1984 meinte er: „Wir sind in einigen Bereichen auf einem re-staurativen, griesgrämigen und kümmerlichen Marsch in eine winterliche Zeit". Manche sprechen heute von Eiszeit. Rahners Theologie läßt auf einen Frühling hoffen, in Kirche und Theologie.
Ist Rahner heute passe? Es geht nicht um Totenkult oder nostalgisches Schwelgen in Legenden und Histörchen. Eine Besinnung auf Karl Rahner ist eine Besinnung auf die lebendige Tradition der Kirche, die niemand vergessen machen kann. Wer sich an Rahner vergreift, vergreift sich da-ler auch am letzten Konzil. Wer Dialog als Synonym für Verrat verwendet, stößt sich am Gespräch Rahners mit den Naturwissenschaften, mit Atheisten, Andersgläubigen, Kirchenkritikern. Die Verzeichnung zum „theologischen Atomphysiker", der unverständUch daherdoziert - eine ihm nach Veröffentlichung von „Grundkurs des Glaubens" (1976) anonym zugespielte Karikatur geht in diese Richtung. Stammtisch-Theologie, simplifizierende Wahrheiten waren seine Sache nicht. Dafür hatte er viel zu viel Ehrfurcht vor dem „absoluten Geheimnis".
Gelegentlich hat Rahner darüber geklagt, Kardinal König sei während des Konzils oft auswärts gewesen. Er, der Theologe, habe in schwierigen Arbeitssitzungen Exposes erstellt, diskutiert, für neue Positionen gekämpft. In den entscheidenden Phasen sei König aber immer zur Stelle gewesen. Das ist der Wiener Alterzbischof auch jetzt, wenn es darum geht. Rahner gegen unerleuchtete Geister in Schutz zu nehmen, die mit Polemik, Häme und Unsachlichkeit gegen den Konzilstheologen vorgehen. Erst jüngst, bei der Verleihung des Ehrendoktorats in Münster, meinte König: „Wenn die Kirche mit dem letzten Konzil einen gewaltigen Sprung nach vorne getan hat, so ist es vor allem auch das kaum überschaubare Erbe Karl Rahners, das uns stets ermutigt, uns den Herausforderungen der Zeit zu stellen und den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, ohne sich durch ,übertriebene Kritik’ verunsichern zu lassen."
Rahners Kirchlichkeit und kritische Loyalität standen für ihn als Ordensmann und Priester nie zur Debatte. Sie gehören zu seinem Vermächtnis. So ist der 5. März ein Tag der Erinnerung an eine große Gestalt der Theologie. Rahners Einfluß wird ins nächste Jahrhundert hineinreichen. Und einen solchen Menschen sollte man nicht vermissen?
DerKxiior arbeitel an der Priesterausbildimgsstätte Canisianum in Innsbruck.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!