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Ein Frühlingsbote

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In diesem seltsamen Frühling, der so voll Unsicherheit und Beschwernis ist — nicht nur in Österreich, und auch hier nicht nur wegen der Schwierigkeiten, eine leistungsfähige Regierung zu bilden und neue Förrien der Zusammenarbeit der Parteien zu finden —, wird Karl Rahner sechzig Jahre alt: ein Theologe und Seelsorger, der Generationen junger rheologen geistig geformt und erweckt hat.

Die Welt — was man so „Welt“ fiennt — sieht heute auf die Kirche.

Die Kirche ist spektakulär geworden. Das Konzil, die Reisen des Papstes, die ersten Begegnungen von fCirchenfürsten aus West und Ost, /on Theologen der römischen, grie-;hischen Kirche und der protestantischen Denominationen: das alles 'üllt heute selbst „gute“ Bildseiten /ort Zeitungen, und selbst Illustrierte lassen sich diese Show nicht entgehen. An Publizität, im Sinne von Publicity fehlt es also nicht.

Etwas anderes ist dies: Viel weniger beachtet wird in der öffentlich-<eit — und gerade auch in der christlichen und katholischen Öffentlichkeit — das Leben und Lebenswerk der Männer, die in einer angen, entbehrungsreichen, nicht ;elten opferreichen Denkarbeit dem 'Ceuen Bahn gebrochen haben, das jetzt über die Schwelle tritt — und ;inen Frühling, in der Kirche und Christenheit, heraufführen möchte. \He und hochkonservative Theologen haben in der letzten Zeit iro--i'sch-spöttisch, wohl auch mit etwas tfeid, von einer „Teenager-Theologie“ einiger junger Theologen geinrochen, die als Berater von Kardinälen und Bischöfen und als Verfasser mutiger Bücher weltbekannt Geworden sind. Nun, da sollte man Joch dies nicht übersehen: Diese lungen Theologen, die es wagen, nit der Parole ernst zu machen — äie Kirche stellt sich der Welt, die Kirche ist Dialog, in sich und mit der Welt —, sie sind alle, direkt oder indirekt, „Schüler“ und geistige Söhne Karl Rahners und der Innsbrucker Jesuitenfakultät.

Karl Rahner selbst hat das Eis gebrochen, das sich gebildet hatte, in der eisigen Atmosphäre, die wieder durch die unseligen Kämpfe zur Vernichtung des sogenannten Modernismus geschaffen wurde. Heute ist es fast Mode geworden, vom neuen Klima in Rom und rund um das Konzil zu sprechen. In sehr mühseliger Arbeit, umsichtig, sorgfältig nach vielen Seiten absichernd, hat Karl Rahner einem freieren und frommeren Denken in der Theologie Wege gebahnt. „Der Rahner“ (wobei wir hier das Licht seines bedeutenden Bruders, Hugo Rahner, des hervorragenden Kirchenhistorikers und Theologen, nicht unter den Scheffel stellen wollen) ist für junge, wache Christen und Theologen weit über Europa hinaus zu einem großen Trost geworden: er hat durch seine Werke gezeigt, daß man modernes Problembewußtsein und klassische Theologie verbinden kann und daß Theologie und Seelsorge nicht getrennt sein müssen, wie allzulange im Banne einer gewissen Fachtheologie. Karl Rahner ist nicht zuletzt für eine katholische Publizistik und Presse bedeutsam geworden, durch sein mutiges Eintreten für die Freiheit dieser Presse, die der Kirche nur wirklich dienen kann, wenn sie freimütig redlich sich den Fragen in der Kirche, an die Kirche und um die Kirche stellt. Der Sechzigjährige bedeutet nicht zuletzt für junge und jüngere Menschen eine ernste und freundliche Einladung, nicht geistig und seelisch träge zu werden und, wie viele „Junge“ heute, allzufrüh innerlich zu altern. Jung sein, jung werden ist eine Verpflichtung. Der Frühling des Geistes ist anstrengend — so wie der politische!

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