wehinger - © Peter Wehinger

Karl Rahner: Kleine Untergänge

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Jesus scheint in seinem Tod einer sterbenden Menschheit nachzufolgen: Das meint der Theologe Karl Rahner. – Nachdenken über eine lebenslange Aufgabe.

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Jesus scheint in seinem Tod einer sterbenden Menschheit nachzufolgen: Das meint der Theologe Karl Rahner. – Nachdenken über eine lebenslange Aufgabe.

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„It never gets easier you just get stronger“ – dieses Mantra gefällt wohl vielen Jugendlichen. Und sie haben ja Recht: Sie dürfen und müssen sich etwas zutrauen und in Bezug auf ihre Stärke zuversichtlich sein.

In einer Zeichnung des Vorarlberger Künstlers Peter Wehinger begleitet der zitierte Spruch jedoch keinen Jugendlichen. Wehinger stellt ihm eine gebückte, kopftuchtragende Frau mit faltigen Wangen gegenüber. Sie hält inne und stützt sich auf ihren Stock. Weste, Rock und Schuhe wirken veraltet, blass, farblos. Im Raum zwischen der zerbrechlichen Figur und dem plakativen Spruch in großen Lettern schwebt Dissonanz: Für die alte Frau scheinen die Tage tatsächlich nicht einfacher geworden zu sein. Aber ist sie denn auch stärker geworden? Nein. Sie bleibt gerne stehen, den mühsamen Gang anhaltend. Sollte sie das Mantra vor ihrem Gesicht nicht überhaupt nur schemenhaft wahrnehmen, sondern lesen, blieben die Worte leer. In ihrem Inneren kämen sie nicht an.

Zwischen zwei Polen

Peter Wehinger provoziert die Betrachterin, die beiden Pole miteinander zu versöhnen. Einen Weg zur Synthese weist der Ort, an dem die Zeichnung von Sommer bis Herbst zu sehen war, nämlich das Bildungshaus Batschuns des Frauenordens „Werk der Frohbotschaft“. Denn Religionen bemühen sich darum, dem Ganzen der Wirklichkeit gerecht zu werden:

So optimistisch und stark sich der eine Pol – das Mantra – auch gibt, er ist nur halb wahr. Und auch der andere Pol – der alte Mensch, der resigniert – irrt auf seine Weise. Weder jugendlicher Schwung noch Altersträgheit antworten auf die Welt, wie sie tatsächlich ist. Wie aber ist sie?

Dem Religionsphilosophen Romano Guardini (1885–1968) folgend, verspricht die Welt mehr, als sie hält. Sie hält also manches Versprechen, aber nicht jedes. Die nicht gehaltenen Versprechen muss jeder von uns im Lauf seines Lebens verarbeiten, was zu Krisen führt. Krisenzeiten gehören daher zur menschlichen Entwicklung. Wir müssen sie bestehen – nicht also überflügeln, wie Jugendliche es zu tun versucht sind; und nicht in einen Zynismus oder in Resignation verfallen, wozu Erwachsene neigen können. Das Fundament dieses Reifens sieht das Christentum darin, Jesus nachzufolgen. Auch hier müssen wir freilich fragen: Worin besteht dieses Nachfolgen?

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