6618501-1955_47_11.jpg
Digital In Arbeit

Der Weihbischof von New York spricht

Werbung
Werbung
Werbung

Aufstieg zu Gott. Von Fulton J. Sheen. Rex-Verlag, Luzern. 288 Seiten. Preis 12.80 DM.

„Auf der Grundlage der modernen Seelenkunde zeigt der berühmte Fernsehprediger und Weihbischof von New York, wie der Mensch sich selber nur finden kann in der Hingabe an Gott.“ Mit diesem Aufdruck auf dem etwas amerikanisch-protzigen Buchumschlag wird die pädagogisch-pastorale Tendenz dieses überaus wertvollen Buches schon ein wenig angedeutet. Ganz präzis wird sie ausgesprochen, wenn der Verfasser sagt, er wolle dem Leser den Weg zeigen, um „vom Stadium der knechtischen Eigenliebe zur Ebene der beherrschten Persönlichkeit und schließlich zur Höhe des um Christus kreisenden Lebens aufzusteigen“ (S. 110).

Die Haupteinteilung deutet wohl an, daß beim Aufstieg zu Gott der alte und immer neue Weg „von der Reinigung über die Erleuchtung zur Einigung“ gegangen werden muß, aber sie trägt ein ganz modernes Gesicht: Die Ebene des Ego — Die Ebene des Selbst — Die Ebene des Göttlichen. Dafür könnte freilich auch stehen: Der Untermensch — Der Vollmensch — Der Uebermensch. Was will also das Buch sein? Es bringt ein wenig Philosophie und Apologetik, aber nicht sosehr für den denkgeübten Verstand, sondern für das denkbereite Herz. Es bringt unaufdringlich ein wenig' Dogmatik und Moral mit der Empfehlung, sie im Leben zu prüfen, nach der Mahnung des Herrn: „Wenn jemand Gottes Willen tun will, so wird er innewerden, ob meine Lehre aus Gott ist“ (Jh. 7, 17). Es bringt viel Aszetik, doch so, daß es den ganzen langen Weg zeigt, der vom Gottsuchen des gottfernen Menschen zum gesicherten Gottesbesitz des gottverbundenen Heiligen führt. So wird das Buch zu einer christ-: liehen Lebenskunde, deren Grundgedanke angedeutet ist im Satz: „Es gibt nur eine Lösung für das Rätsel des Lebens, daß man Gott zum Mittelpunkt macht“ (S. 193).

Ein großer Vorzug des Buches liegt darin, daß der Autor, ausgestattet mit dem Rüstzeug des modernen Psychologen, die gesicherten Erkenntnisse der Tiefenpsychologie klug verwertet, aber auch gegenüber den Einseitigkeiten der Psychoanalyse große Zurückhaltung zeigt. Die wertvollste Eigenart des Buches dürfte aber in seiner einzigartigen Lebensnähe liegen. Der Verfasser ist tiefblickend, hellhörig und feinfühlig genug, um den Leser in geschickter Weise fortwährend an die Erlebnisse seines Alltags heranführen zu können, so daß dieser sich wirklich getroffen und gepackt fühlen muß. Dabei zeigt der Autor eine durchaus positive Einstellung gegenüber allen wirklichen Werten des modernen Lebens, ein gewinnendes Eingehen auf alles zu Bejahende in der Anschauung seiner Gegner, eine überlegene Ruhe und Sicherheit gegenüber allen schwierigen Fragen des Lebens und der Zeit, ein ständiges Hindrängen auf das Wesentliche und Entscheidende, wie es etwa angedeutet ist im Satz: „Die Religion ist nicht einfach Sache der Diskussion, sondern der Entscheidung“ (S. 160). Aus christlichem Optimismus heraus weiß Sheen, immer lebensnah, auch ernste Wahrheiten humorvoll zu sagen, wie es folgender Satz aus dem Kapitel „Von der Heiligung des Augenblicks“ beleuchten kann: „Der Augenblick enthält einiges, das von uns abhängt. Aber er bringt auch unvermeidliche Schwierigkeiten mit sich, wie zum Beispiel einen Bankrott, eine schlimme Erkältung, Regen am Ausflugstage, einen unwillkommenen Gast,

einen Kuchen, der einem aus der Hand fällt, eine Klingel, die kaputt ist, eine Fliege in der Milch und eine Anschwellung an der Nase am Abend eines Tanzvergnügens“ (S. 220).

Die Uebersetzung aus dem Englischen ist (außer ein paar störenden Versehen beim Druck, wie S. 107 Selbstsucht statt Selbstzucht und S. 126 genehmigen statt nehmen) gut, die Sprache klar, anschaulich und ansprechend, belebt durch treffliche Vergleiche und markiert durch sentenzartige Leitsätze; wie zum Beispiel wenn der Autor vor der Sünde warnt: „Keine Sünde hält, was sie verspricht“ (S. 102), oder einen Hauptgewinn aus der Betrachtung andeutet: „Unsere Gedanken bestimmen unsere Wünsche und unsere Wünsche gestalten unseren Tag“ (S. 214). Inhaltlich sind manche Kapitel Glanzleistungen moderner Lehrweise. Es gibt freilich auch Sätze und Seiten, wo mancher Leser ein Fragezeichen an- den Rand setzen wird. Doch wenn er das Buch fertiggelesen hat, wird er die meisten wahrscheinlich wieder tilgen.

Wem soll man die Lektüre empfehlen? Allen. Schon der einfache Mann wird viel gewinnen, mehr noch jeder, dessen Bildungsgrad höher reicht. Der Laie fühlt sich „modern“ angesprochen, der Priester lernt „modern“ sprechen. Die Ungläubigen warnt das Buch vor Selbsttäuschung: „Nicht das Credo, sondern die Zehn Gebote halten die Menschen von Christus und seinem mystischen Leib fern“ (S. 147). Die Gläubigen aber drängt es zur restlosen Folgerichtigkeit: „Viele Seelen scheuen sich davor, die Wahrheit persönlich, vertraut, inkarniert werden zu lassen, weil sie wissen, daß ein Golgatha dabei herauskommen könnte“ (S. 154).

*

So sehr liebt Gott die Welt. Von Fulton J. Sheen. Walter-Verlag, Oltert. 124 Seiten. Preis 4.80 DM.

Ausgehend vom Gottesbedürfnis des Menschen mit seiner ungestillten Sehnsucht nach Leben, Wahrheit und Liebe, zeigt Sheen im kleineren Büchlein „So sehr liebt Gott die Welt“ in sieben zusammenhängenden Kapiteln Gott in seinem Liebeswirken zur Beglückung der glückshungrigen Menschheit, für die Christus, der menschgewordene Gottessohn, selbst „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ geworden ist. Die Schrift, die mit vollem Recht in die Reihe der „Bücher christlicher Weisheit“ aufgenommen wurde, will nicht einem „katholischen Streitgespräch“ dienen, sondern „dem Verstand einfach das bieten, was für den hungrigen Menschen Brot bedeutet“. Klarheit ohne nichtssagende Plattheiten, Wärme ohne süßlichen Ueberschwang und Tiefe ohne Versinkungsgefahr zeichnen das Büchlein aus. Mit ihm möchte der Autor — immer Iebens- und zeitnahe — ein wenig mithelfen, „aus dieser Welt einen Ort zu machen, worin zu leben sich lohnt“ (Vorwort). Das Kapitel „Die Kanzel des Kreuzes“ könnte noch stärker betonen, wie das Kreuz nur verständlich wird, wenn man bedenkt, wie es dem Sünder zeigt, wie lieblos gegen Gott seine Sünde ist und wie liebevoll Gott auch noch gegen den Sünder ist. Nach der Lektüre von Sheens Büchern werden ansprechbare Leser es begreiflich finden, wenn ein amerikanisches Blatt für den Bereich der katholischen Literatur Amerikas zu schreiben wagte: Sheens „Feder darf als die mächtigste und überzeugendste im Dienst der Kirche bezeichnet werden“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung