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Geprüfte Hoffnung statt Höllenfurcht

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Wie kann man heute vernünftig und verantwortbar an ein ewiges Leben, an eine Vollendung bei Gott glauben? Hans Küngs klares ja dazu ist begründet.

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Wie kann man heute vernünftig und verantwortbar an ein ewiges Leben, an eine Vollendung bei Gott glauben? Hans Küngs klares ja dazu ist begründet.

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Hans Küng hat einmal den Rat gegeben, dicke Bücher, auch seine eigenen, querfeldein zu lesen. Also bin ich vom Titel seines eben erschienenen Werkes „Ewiges Leben?" mitten in den Text gesprungen, habe das letzte Kapitel aufgeschlagen und dort auf Seite 293 das Resümee des Buches gefunden:

„Was heißt es, an eine Vollendung im ewigen Leben durch den Gott, wie er sich in Jesus von Na-zareth gezeigt hat, zu glauben? An ein ewiges Leben glauben heißt, mich in vernünftigem Vertrauen, in aufgeklärtem Glauben, in geprüfter Hoffnung darauf verlassen, daß ich einmal voll verstanden, von Schuld befreit und definitiv angenommen sein werde und ohne Angst ich selber sein darf; daß meine unnachsichtige und ambivalente Existenz, wie die zutiefst zwiespältige Menschheitsgeschichte überhaupt, doch einmal . endgültig durchsichtig und die Frage nach dem Sinn der Geschichte doch einmal endgültig beantwortet werden."

Die kompakte Entschiedenheit dieser Sätze trieb mich zur Uberschrift zurück: Ewiges Leben, mit Fragezeichen. Da muß, sagte ich mir, in den Passagen dazwischen viel geschehen sein, daß der schüchterne Anfang wirklich zum resoluten Fazit paßt. Auch der Name Küng konnte die Neugier nicht verhindern, ob wohl das Fragezeichen das ganze Buch hindurch gelten würde, oder nur eine literarische Floskel, eine gutge-' meinte katechetische Fiktion darstelle.

Küng nimmt das Fragezeichen so ernst, wie es viele Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche tatsächlich nehmen, wenn sie mit den letzten Dingen zu tun bekommen. Die Grübler, die Zweifler, die groben und feinen Feinde jeder Ewigkeitshoffnung kommen mit allem zu Wort, was sie an Einwänden haben, wie bei Thomas von Aquin, allerdings ausführlicher.

Der Autor gibt dem zeitgenössischen Leser, dem vieles auch von der Kanzel herab zu schnell, zu autoritär kommt, reichlich Gelegenheit, sich in dem wogenden Wenn und Aber zu finden: so treibt es ihn selbst hin und her. Vielleicht sind die Gleichgültigen, die Fernen, die im Genuß des diesseitigen Augenblickes versunken sind, zu wenig berücksichtigt; sie werden das Buch nicht lesen, aber der Pfarrer, der viele davon in seinem Sprengel weiß, wüßte gerne etwas für sie.

Auf jeden Fall vermittelt das Buch die Empfindung, eine aufrichtige Antwort zu suchen in einer wahren, das Leben bestimmenden Entscheidung—und nicht nur mit der plötzlichen Forderung einer Institution konfrontiert zu sein. Küng erliegt nicht der Gefahr, daß - im Gefolge einer ernstgenommenen Religionskritik deren Thesen und Grundsätze zum Rahmen werden, in dem die christliche Botschaft weitergegeben wird.

Die neun Tübinger Vorlesungen, die dem Buch zugrunde liegen, enthalten die wichtigen Themen, die jeder Theologie der Hoffnung vorgegeben sind, und ich meine, sie werden der Sache nach so behandelt, daß die Bibel und die mit Recht kritisch gelesene Tradition zu ihrem Recht kommen. Natürlich ist es schwierig, auf 300 Seiten ausführlich, ausgewogen, genau und vollständig zu sein. Da muß manches Aktuelle in den Vordergrund rücken, zum Beispiel die Erlebnisberichte aus dem Jenseits, die Moody gesammelt haben will, von Küng mit übergebührlicher Ausführlichkeit behandelt und dann lapidar beurteilt: sie bringen nichts.

Wichtiger scheint seine ebenfalls ausgiebige Analyse der Idee einer Seelenwanderung, weil diese viele Christen aufs neue beeindruckt und, wie ich aus Erfahrung weiß, bis in marianische Kongregationen vordringt. Auch der Abschnitt über menschenwürdiges Sterben, die Erörterung der Frage, ob es Gläubige leichter haben mit dem Tod, gehören hierher.

Das für mich Aktuellste findet sich in den Hinweisen auf die alles erfassende Änderung des Klimas um die letzten Dinge, die immer noch stattfindet. Sie betrifft die Abwendung von der Vorherrschaft der Höllenfurcht zugunsten einer Hoffnung, die mit der Kritik Gottes am Menschen rechnet; die Ablösung der Seelenlehre Piatons durch die Erwartung einer Auferstehung des Fleisches, die der Bibel und der Biologie gerechter wird, wenn sie auch nicht leichter fällt als die Annahme einer unzerstörbaren Seelensubstanz.

Schließlich gibt es seit langem die Verdrossenheit am Himmel, bis in vollbesetzte Kirchenbänke hinein, und die nüchterne Wahrheit der Verlockung, in den Himmel kommen zu können, in einer freien Sprache nahezubringen, war es sehr an der Zeit. Das hätte noch intensiver geschehen können, Küng ist nicht der erste, aber ein sehr überzeugender Theologe dieser Wandlung. Alles, was er sagt, ist so angeordnet, daß die Hauptsache, an der die vernünftige Hoffnung dargestellt wird, wirklich in die Mitte kommt: die Auferstehung Jesu.

Der Landsmann des Wilhelm Teil kann sich wohl selbst verteidigen, aber ein Rat sei gegeben: über das Maß besorgte Christen, denen Küngs Bücher oft zu Gespenstern werden, weil sie statt zu lesen sich fürchten, mögen dieses Buch vom genannten Zentrum aus beginnen und von da aus den Weg des Verstehens und die gerechte Beurteilung suchen.

In Küngs früheren Werken „Christ sein" und „Existiert Gott?" wird der Glaube definiert als ein vernünftiges Vertrauen, und begleitet ist diese Beschreibung von einer umstrittenen Abwertung der Gottesbeweise. In „Ewiges Leben?" ist eine Unterscheidung angeboten, die zur Klärung der Frage helfen kann. Ein Leben über den Tod hinaus in Gottes liebender Macht läßt sich nicht beweisen, wohl aber bewahrheiten, heißt es jetzt.

Dazu habe ich zwei Fragen: Sind die alten Beweise für das Dasein Gottes und seine kommende Welt von deren großen Verfechtern jemals anders gemeint gewesen? Müßte die Bewahrheitung der Hoffnung nicht weitergreifen, also nicht nur am Brennpunkt Jesus geschehen, sondern ebenso buchstäblich jene Hinweise unserer Lebenswelt erschließen, die in eine weltüberbietende Zukunft zeigen? Ich denke an den Zusammenhang von Liebe und Tod. Ließe sich aus der gegenseitigen Erhellung Jesus — Lebenswelt für die christliche Hoffnung nicht ein stärkeres Motiv gewinnen, weil der, der das Leben genannt wird, enger mit unserem Erleben vermittelt wäre?

Der Autor ist Professor für Dogmatik und ökumenische Theologie in Linz. EWIGES LEBEN? Von Hans Küng. Piper-Verlag München 1982. 352 Seiten, Ln., öS 261.80.

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