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Das Schwarze-Peter-Spiel

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H. Urs von Balthasar 1st repräsentativ für eine Gruppe von bedeutenden Theologen, die in jüngster Zeit in zunehmendem Maße als Kritiker anderer, „moderner” theologischer Strömungen, zu denen auch K. Rahner gerechnet werden kann, aufgetreten sind (vgl. Balthasars Buch „Cordula oder der Ernstfall”, Einsiedeln 1967). K. Rahner hingegen, von Haus aus Fastoraltheologe im weitesten Sinn des Wortes, hat das praktisch-engagierte Moment seiner Theologie in Stellungnahmen zu konkreten Fragen und Problemen stärker in den Vordergrund gekehrt. Ist einer der beiden somit „konservativ” und der andere „progressiv”?

Im Fall dieser beiden Theologen und der von ihnen vertretenen Richtungen zeigt sich deutlich das Versagen dieser Kategorien, sowohl praktisch als auch theoretisch. Praktisch, weil Beurteiler und Kritiker bald den einen, bald den anderen einer der genannten Standorte zuordnen; theoretisch, weil eine solche Schematisierung zu simpel ist. Nicht, ob einer als „konservativ” oder „progressiv” bezeichnet wird — von wem eigentlich? —, sondern ob man sich mit seiner fiiir richtig erachteten Position verschließt und abkapselt, gegenüber der Tradition in der man steht, ebenso wie gegenüber anderen Einzelnen und Gruppen, die hier und heute gleichzeitig eine andere Interpretation dieser Tradition versuchen, ist heute maßgebend.

Balthasar geht thematisch der heute sicherlich „brennenden” Frage nach „Wer ist ein Christ?”; Rahner versucht eher zu zeigen „wie” ein Christ heute sich bewähren muß, vor welchen Aufgaben er steht, wie er aus der Tradition heraus zu den gegenwärtigen inner- und außerkirchlichen Problemen Stellung nehmen kann. Gnade und Freiheit, das sind die Größen mit denen Rahner sich explizit beschäftigt, die aber auch für Balthasar in der Beantwortung seiner fundamentalen Frage wichtig sind. Balthasar betont die Gnade als die den Christen elementar (und allein) prägende Kraft; für ihn ist der Glaubensgehorsam (und dementsprechend die Glaubenskontemplation) die grundlegende Wirklichkeit christlicher Existenz. Rahner stellt ebenfalls die Gnade in den Mittelpunkt, aber nicht in Korrespondenz zum Gehorsam, sondern als Ermächtigung zur Freiheit. Bei keinem ist die Position des anderen grundsätzlich ausgeschlossen, wenn auch Balthasar bedauerlicherweise in seiner „Kritik des Trends” zur Ver- absolvierung des „Gegentrends” neigt.

Wer ein Christ sei — das ist eine Frage, die nicht erst heute, aber doch hier und jetzt mit neuer Eindringlichkeit, gestellt wird. Sie läßt sich nicht mehr so einfach mit den traditionellen Kategorien beantworten. Versucht man aber trotzdem (vor läufig) die Antwort, auf eine einfache Formel gebracht, zu geben, so findet man auch den Punkt, in dem sich Rahner und Balthasar treffen: Ein Christ ist der Mensch, der radikal liebt und sein ganzes Handeln von dieser Einstellung bestimmt sein läßt. Diese Liebe entspringt aus dem Schnittpunkt von „Kreuz” und „Auferstehung”; aus dem Kreuz, insofern der Christ durch die Liebe in den sich nie versagenden Dienst gestellt wird; aus der Auferstehung, weil der Dienst über alle Enttäuschung hinweg nur aus der Hoffnung auf eine vollendete Zukunft möglich ist, will man die Welt nicht fliehen.

Wenn hier Balthasar und Rahner gegenübergestellt und doch in eins zu sehen versucht wurde, so nicht deshalb, um die faktische Pluralität der Theologien und Verwirklichungsweisen des Christlichen billig ziu überdecken und beruhigend festzustellen, daß soundso alles im rechten Lot sei; sondern um zu zeigen, daß heute eine neuakzentuierte Kriteriologie für eine Antwort auf die Frage wer ein Christ sei gefunden werden muß; und weiterhin, daß es nicht auf eine exakt und griffig formulierte Antwort ankommt (die ja doch notwendig begrenzt ist und somit ausschließt, wo ausgeschlossen werden kann), sondern auf den Kommunikationswillen aller jener, die Theologie betreiben beziehungsweise christlichen Glauiben verwirklichen wollen (Kirche als communio). Dort, wo die Frage nach dem unterscheidend Christlichen ernst und „wahrhaftig” gestellt wird, dort wo die eigene Antwort nicht sofort absolut gesetzt wird, sondern sich in der Bewährung als wahr erweisen kann, dort ist die Pluralität in der Einheit deir Communio realisierbar.

WER 1ST EIN CHRIST? Von H. Urs von Balthasar, Herder-Bücherei 335. Verlag Herder, Freiburg—Basel —Wien 1969.126 Seiten. S 22.—. GNADE ALS FREIHEIT. Kleine theologische Beiträge. Von K. Rahner. Herder-Bücherei 322. Verlag Herder, Freiburg—Basel—Wien 1968. 280 Seiten. S 30.—.

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