Signale der Hoffnung aus dem Nord-Irak

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Nach der Zerstörung

Bild aus Karakosch, der größten christlichen Stadt im Irak, 32 Kilometer südöstlich von Mossul (li.). Schwester Rose Mary im St. Joseph-Spital in Erbil (re.).

Als Nonne muss ich mit den Menschen menschlich umgehen. Als Ärztin kümmere ich mich um ihre Gesundheit. (Schwester Rose Mary -Larsa Khazmee)

Die 34-jährige Schwester vom katholisch-chaldäischen Orden der Töchter der Unbefleckten Gottesmutter strahlt Mut und Tatkraft aus. Ihre Eltern und alle sechs Geschwister verließen 2006 den Irak, flüchteten in den Libanon, gingen später nach Kanada. Nur Larsa Khazmee blieb zurück. 2001 war sie in Bagdad in den Orden eingetreten. 2006 wurden die Schwestern des Konvents wegen der herrschenden Gefahr nach Erbil verlegt.

Im Zuge des Irak-Konflikts wurde der Wunsch, Ärztin zu werden, immer stärker. Auch ihr Vater hatte seiner Tochter das Medizinstudium ans Herz gelegt. "Die Menschen hatten sehr große Sorgen wegen ihrer Gesundheit, Probleme mit der ärztlichen Versorgung." Sie erkannte diese Bedürfnisse. "Als Nonne muss ich mit den Menschen menschlich umgehen. Als Ärztin kümmere ich mich um ihre Gesundheit."

2009 promovierte Larsa, 2012 legte sie als Schwester Rose Mary die Gelübde ab. Nun spezialisiert sie sich auf Kinderheilkunde. Die doppelte Aufgabe in der Katechese und im Spital sagte ihr zu. Ab 2014 kümmerten sich die Schwestern des Maria-Immakulata-Ordens um die vertriebenen Christen, die aus der Ninive-Ebene nach Erbil und Dohuk geflüchtet waren. Die Kirche führt jetzt auch ein Zentrum für posttraumatische Störungen.

Flüchtlings-Camps geschlossen

Schwester Rose Mary wurde dringend als Ärztin gebraucht. Sie arbeitete in einem staatlichen Krankenhaus in Erbil und einer privaten Klinik für christliche Flüchtlinge. "Als ISIS kam, waren viele Menschen von heute auf morgen medizinisch ohne Versorgung." In einem Bergdorf, das 700 Flüchtlingsfamilien aufnahm, richtete sie eine kleine Klinik ein. Später wurden große Flüchtlingslager in Ankawa errichtet. Das St.-Josef-Krankenhaus entstand in Erbil. Doch Fachärzte werden oft nicht bezahlt.

Die Rückeroberung der Ninive-Ebene durch die irakische Armee und kurdische Peschmergas führte seitens der nordirakischen Regierung zu harten Schritten. Laut Schwester Rose Mary wurde die Losung ausgegeben "ISIS ist weg, kehrt heim." Ein großes Camp bei Erbil, das tausende christliche Familien beherbergt hatte, wurde im November geschlossen. Viele der Betroffenen kehrten heim. Von neun Christen-Dörfern in der Region hatten die Islamisten drei völlig vernichtet.

Die Kirche versuchte, sich einen Überblick über die Zerstörungen zu verschaffen: "Sie erstellte eine Statistik." Denn die Regierung habe keine Verantwortung übernommen. Geld komme von der Kirche in Kooperation mit internationalen NGOs.

So wurde in Teleskof die Schule wiedereröffnet. Die Regierung müsste nach dem Vertrauensverlust zwischen Muslimen und Christen für Sicherheit sorgen. Die Schwester: "Wir Christen sind auf alles gefasst. Alle unsere Heiligen sind Märtyrer."

Zur Politik sagt sie nicht viel. Verständlich, denn das Unabhängigkeitsreferendum im Nordirak hat die in ihre verlassenen Dörfer heimkehrenden Christen verunsichert. Die Lage sei schwieriger geworden. Die irakische Regierung sperrte den Flughafen Erbil. Transfers von Hilfsgütern und NGOs erfolgen via Bagdad. "Für die Kurden steht die Nation im Vordergrund." Die Christen und Jesiden seien ihnen willkommen, fügt die junge Nonne hinzu.

"Es gib Hoffnung für die Christen"

"Es gibt Hoffnung für die Christen", resümiert Schwester Rose Mary, die auf Einladung des Hilfswerks "Kirche in Not" nach Wien kam. Viele Familien kehren in ihre Dörfer heim, weil sie kaum Optionen haben. Auch in Aufnahmeländern wie Türkei, Libanon und Jordanien fühlten sie sich nicht akzeptiert. Ihr Orden hat schwer gelitten. Von sechs Klöstern in Bagdad existiert nur mehr eines, in Mossul wurden beide Konvente zerstört.

Immer mehr Binnenflüchtlinge wagen einen Neustart. Mit Hilfe ausländischer Organisationen kam der Wiederaufbau der Christendörfer in der Ninive-Ebene in Gang. Das österreichische Projekt "Aktion Heimkehr" konzentriert sich auf Bakofa und das benachbarte Teleskof. Unter der Ägide der Kardinal-König-Stiftung finanzieren die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV), die Initiative Christlicher Orient (ICO) und Christian Solidarity-Österreich (CSI) dort den Wiederaufbau.

"Kirche in Not" koordiniert unter dem Motto "Zurück zu den Wurzeln" mit Partnern vor Ort die Rückkehr der Christen in die devastierten Wohngebiete. Rund 30 Prozent der etwa 20.000 Familien kehrten in die Ninive-Ebene zurück. Etwa 17 Prozent der rund 13.000 Häuser wurden bisher renoviert. Die Gesamtkosten des Wiederaufbaus werden auf 230 Millionen Euro geschätzt. Erzbischof Bashar Warda von Erbil wird mit den Worten zitiert: "Der IS wollte uns auslöschen. Der IS ist verschwunden, wir sind da."

Wichtig ist Hilfe vor Ort

Annemarie Fenzl, Generalsekretärin der Kardinal-König-Stiftung, erinnert an die Nordirak-Orientierungsreise einer Delegation mit Ökumene-Bischof Manfred Scheuer im Februar. Die Autorin dieser Zeilen war dabei, hat die Bilder der Ruinendörfer noch vor Augen (vgl. FURCHE 9/2017). Doch seither ist in der Ninive-Ebene viel geschehen.

Die Österreich-Hilfe konzentriere sich nun auf die Rückführung der Christen nach der IS-Vertreibung, betont AKV-Präsident Helmut Kukacka. Er nimmt die Politik in die Pflicht. Die Landeshauptleute-Konferenz "erkannte den kulturpolitischen Auftrag" und spendete 100.000 Euro. Von der Bundesregierung werde "ein Solidaritätsbeitrag zur Bewahrung des Urchristentums" erwartet. Der irakische Staat müsste Minderheitenund Religionsrechte garantieren.

CSI-Generalsekretär Elmar Kuhn betont: "Flüchtlingslager bedeuten keine Hilfsangebote für Christen." Wichtig sei Hilfe vor Ort. Das jüngste Referendum der Regionalregierung stoppte kurzfristig die Ninive-Rückkehrwelle. Georg Pulling, Chefredakteur der ICO-Zeitschrift, bezeichnet die Lage als "ruhig, doch ohne politische Lösung". Selbsthilfe ist angesagt. Der Pfarrer von Telesqof, Salar Bodagh, managt ein Team von 14 Ingenieuren für den Wiederaufbau der Dörfer. In Baqofa wird auf Wunsch der Heimkehrer eine neue Kirche gebaut. Als Zeichen der Hoffnung und der Identität.

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