Spiritualität - mystisch und politisch

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Oscar Arnulfo Romero, Erzbischof von San Salvador, wurde am 24. März 1989 am Altar einer Krankenhauskapelle von einem Kommando der salvadorianischen Armee erschossen. Der gewaltsame Tod dieses "Vaters der Armen und Unterdrückten" des mittelamerikanischen Landes El Salvador hat die Welt schockiert und die unterschiedlichsten Reaktionen ausgelöst. Seither sind viele Bücher über ihn erschienen, sind seine Predigten publiziert worden - mehr als 3.000 Seiten - ist die Eröffnung seines Seligsprechungsverfahrens im Jahre 1990 in den Medien so und so diskutiert worden.

Jetzt landete diese bedeutende charismatische Gestalt wieder zwischen den dünnen Deckeln eines Taschenbuches und zwar als fünfter unter den "Meistern der Spiritualität".Vor ihm in der "Herder Spectrum"-Reihe: Jesus, Ignatius von Loyola, der Sufi-Meister Rumi und Konfuzius. Beachtlich für ein Kind armer Leute eines verelendeten Landes, eines zuerst frommen und unauffälligen Priesters und Kirchenfunktionärs der allerdings im Zuge eines "Prozesses der Wandlung", wie Romero selbst das nannte, zu einer weltweit diskutierten Persönlichkeit, und später, nach seinem gewaltsamen Tod, seinem Martyrium für viele Lateinamerikaner zum "heiligen Romero von Amerika" geworden ist.

Verdienst des 41-jährigen Autors Martin Maier, eines Jesuiten, der Jahre in El Salvador gelebt und studiert hat, ist es, dass er nicht versucht hat, diese facettenreiche Persönlichkeit - trotz des Titels der Reihe - zu spiritualisieren, wieder in den ursprünglichen frommen Mann des Gebetes zurückzuverwandeln, sondern seine mystisch-politische Dimension in Erinnerung zu rufen. Ohne diese Dimension ist Romero nicht zu denken.

Prophetisch handeln

Auslösend für die "Bekehrung" des Erzbischofs von San Salvador, von dem die Oberen vor allem Frömmigkeit und Treue zum Lehramt erwartet hatten, war die Ermordung seines Priesterfreundes Rutilio Grande am 12. März 1977: "Wenn sie ihn für das ermordet haben, was er getan hat, dann muss ich denselben Weg gehen. Rutilio hat mir die Augen geöffnet", bezeugt der Theologe Jon Sobrino die erste Reaktion Erzbischof Romeros im Angesicht der drei Leichen in einer kleinen Kirche auf dem Land.

Romero verkündete danach die Botschaft Jesu in neuer Radikalität und brachte die Texte und Worte immer deutlicher in Zusammenhang mit der "strukturellen Sünde", die sein Land zerriss und die Armen immer ärmer machte, sie immer weiter an den Rand drängte und dort, wo sie sich zu wehren begannen, immer der Folter und dem Tod aussetzte.

Wie bei Jesus dauerte die Zeit dieses "öffentlichen Wirkens" von Romero nur knapp drei Jahre. Von den Armen lernte er, die Wichtigkeit seines kirchlichen Amtes im Sinne Jesu zu relativieren. Er entschied nicht mehr einsam und von oben, sondern ließ sich in vielfältige Dialoge ein. Von den Armen lernte er auch, sein Vertrauen auf Gott zu setzen, von ihm alles zu erwarten, ohne in den eigenen Aktivitäten zu erlahmen. Prophetisches Reden und Handeln aus der Mitte, aus der nächtlichen Stille, aus der Tiefe des Gebets, wurde zur Leitlinie seines Hirtenamtes.

Martin Maier stellt die Figur Romeros nicht nur in die Unrechtssituation seiner letzten Lebensjahre hinein, sondern projiziert die Strahlkraft seiner Person auch in die gegenwärtige Vergötzung des Marktes und des Kapitals, woraus eine ganze Menge zu lernen wäre. Abschließend zitiert der Autor einen anderen salvadorianischen Märtyrer, den Jesuiten Ignacio Ellacuría, der einmal bei einem Vortrag gesagt hatte: "Nur zwei Dinge würde ich von Ihnen wünschen: dass Sie Ihre Augen und Herzen diesen Völkern zuwenden, die soviel leiden und sich fragen: Was habe ich dazu beigetragen, dass sie gekreuzigt sind? Was unternehme ich, damit sie vom Kreuz herabsteigen können? Was muss ich tun, damit dieses Volk mit Christus aufersteht?" Das sind dem Geist nach auch die Fragen, die Erzbischof Oscar Romero den Reichen und Mächtigen seines Landes stellte. Sie haben ihn dafür ermorden lassen. Wenige Tage vor seinem Tod hat Romero selbst prophezeit: "Sollte ich umgebracht werden, so werde ich im salvadorianischen Volk auferstehen."

OSCAR ROMERO. Meister der Spiritualität. Von Martin Maier. Verlag Herder, Freiburg 2001. 192, Seiten, TB, öS 138,-/e 10,03

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