San Romero de América

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Auch wenn sich das Seligsprechungsverfahren für den vor 25 Jahren ermordeten Erzbischof von San Salvador hinzieht: Für viele Salvadorianer ist Oscar A. Romero längst ein Heiliger.

San Romero de América nennen seine Verehrer den ehemaligen Erzbischof von San Salvador, Oscar Arnulfo Romero. Das apostolische Verfahren zur Seligsprechung wurde 1990 beantragt und inzwischen vom Vatikan offiziell eingeleitet. Nach kirchlicher Interpretation ist er den Märtyrertod gestorben. In El Salvador und nicht nur dort wird er schon jetzt wie ein Heiliger verehrt, was natürlich vom kirchlichen Standpunkt nicht zulässig ist. Deswegen wurde die Verlegung seines Grabmals von einem allgemein zugänglichen Seitenflügel der Kathedrale in die Krypta verfügt. Dort feiern jeden Sonntag christliche Basisgemeinden ihren Gottesdienst, während oben, in der klotzigen neuen Kathedrale, der Opus-Dei Mann Erzbischof Fernando Sáenz Lacalle das Messopfer zelebriert.

Politische Seligsprechung

Seligsprechungen sind hochpolitische Akte. In manchen Fällen geht es sehr schnell, bis der Vatikan eine Beatifikation beschließt, in anderen dauert es. Bei Erzbischof Oscar Arnulfo Romero könnte für viele die Erhebung unter die Seligen nicht schnell genug vollzogen werden. Anderen wäre es lieber, wenn die zuständige römische Kongregation den Kandidaten disqualifizierte.

Am 24. März jährt sich zum 25. Mal der Tag, an dem Romero am Altar der Kapelle zur Göttlichen Vorsehung in San Salvador erschossen wurde. Damals war er für das von einer brutalen Diktatur gepeinigte Volk ein Prophet, für die kleine Oligarchie und deren militärische Erfüllungsgehilfen ein gefährlicher Aufrührer. Bis heute hat sich an dieser polarisierten Einschätzung des ermordeten Kirchenfürsten - in der Gesellschaft wie in der Kirche - nichts geändert.

Romero war im Februar 1977 überraschend als Erzbischof nach San Salvador berufen worden. Die herrschende Schicht, die seinen Ruf als Konservativen kannte, reagierte zunächst mit Wohlwollen. Schon wenige Wochen später musste der neue Oberhirte Flagge zeigen. In Aguilares, wenige Kilometer nördlich der Hauptstadt, war der engagierte Priester Rutilio Grande von regierungsnahen Paramilitärs ermordet worden. Er hatte das Evangelium als Befreiungsbotschaft gelesen und katholische Bauernorganisationen ermuntert, die Ungerechtigkeit des Systems nicht als gottgegeben hinzunehmen.

Mit Grafitti wie "Sei ein Patriot: töte einen Pfaffen" erklärte die Rechte jeden Priester zum Staatsfeind. Romero forderte von Präsident Molina, der wenig Lust zeigte, die Täter ausforschen zu lassen, nicht nur eine lückenlose Aufklärung der Bluttat, sondern drohte auch mit dem Sperren der katholischen Schulen und dem Boykott von Staatsakten. Deutliche Worte richtet er auch in der Folge an die Militärregierung und sogar an den damaligen us-Präsidenten Jimmy Carter, den er in einem offenen Brief aufrief, die Lieferungen von Waffen, die nur der Unterdrückung der Zivilbevölkerung dienten, einzustellen.

In der Kirchenzeitung ließ er die Namen all jener veröffentlichen, die bei Nacht und Nebel verschleppt wurden und entweder überhaupt nicht oder als verstümmelter Leichnam am Stadtrand wieder auftauchten. In dem Maße, wie die politische Opposition zerschlagen, vertrieben, in den Untergrund gedrängt wurde, entwickelte sich Erzbischof Romero zur vernehmlichsten und anerkanntesten Stimme des Widerstandes gegen ein Regime, dessen Repressionsapparat immer mehr aus dem Ruder lief. Die Sonntagsmessen in der Kathedrale glichen bald konspirativen Treffen. Wer teilnahm, setzte sich dem Verdacht aus, den Umsturz der Regierung zu planen.

Vertuschung von Anfang an

Einen Tag vor seinem Tod richtete Romero nochmals einen besonders eindringlichen Appell an die Soldaten: "Im Namen Gottes: Schluss mit der Repression!" Romeros Schicksal war in diesem Moment längst besiegelt. Der Mörder musste in der relativ kleinen Kapelle gar kein außergewöhnlicher Schütze sein, um den Kirchenmann von der Eingangstür her tödlich zu treffen und sich aus dem Staub zu machen. In El Salvador wurde niemand für dieses Verbrechen zur Rechenschaft gezogen.

Bei der Vertuschung der politischen Hintergründe leisteten die Regierungen von El Salvador und der usa eingespieltes Teamwork. Präsident Ronald Reagan, der 1981 antrat, die Ausbreitung des Kommunismus in Zentralamerika zu verhindern, berief schleunigst seinen Botschafter Robert White ab.

Drahtzieher d'Aubuisson

White hatte in selten deutlicher Sprache den prominenten Geheimdienstoffizier Roberto d'Aubuisson als Drahtzieher des Mordes genannt. Ermittelt wurde gegen den Mann nie. Er konnte während der von den usa inszenierten Demokratisierung die rechtsextreme Partei arena gründen und starb 1991 als hoch geachteter Kongressabgeordneter. Noch heute wird d'Aubuisson von der seit 1989 regierenden arena als visionärer Führer verehrt.

Die anderen Verschwörer, enge Mitarbeiter von d'Aubuisson, und der mutmaßliche Schütze Ricardo Lau konnten sich ungehindert ins Ausland absetzen. Im Bericht der Wahrheitskommission, die nach dem Friedensabkommen von 1992 von den Vereinten Nationen gebildet wurde, scheint neben Roberto d'Aubuisson auch der Name von Luftwaffenhauptmann Alvaro Rafael Saravia auf. Er soll die Tatwaffe besorgt, den Transport des Schützen zur Kirche organisiert und diesen anschließend bezahlt haben. Als Saravia 1987 in den usa wegen Visavergehen festgenommen wurde verlangte die salvadorianische Staatanwaltschaft seine Auslieferung. Doch der Oberste Gerichtshof, der seine Aufgabe im Verhindern von Gerechtigkeit sah, hob den Auslieferungsantrag auf.

Saravia wurde letztes Jahr von Menschenrechtsaktivisten in Kalifornien aufgespürt. Dort brachte ein Anwaltsbüro eine Zivilklage gegen ihn ein und letzten September verurteilte ihn ein Zivilrichter in Fresno wegen Beteiligung am Mordkomplott gegen Romero zur Zahlung von zehn Millionen us-Dollar Schadenersatz an die Angehörigen des Erzbischofs. Saravia ist inzwischen neuerlich untergetaucht.

Die Romero-Stiftung in El Salvador nahm dieses Urteil zum Anlass, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu fordern: "Die Salvadorianer sagen mit lauter Stimme, dass es keinen wirklichen Frieden geben wird, solange die Mörder, wie die von Monsignore Romero, straffrei bleiben." Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof und das Rechtshilfebüro des Erzbistums San Salvador hatten sich bereits im Jahre 2000 dafür eingesetzt, die finstere Vergangenheit endlich auch juristisch aufzuarbeiten.

Symbol der Gerechtigkeit

Aber auch die gegenwärtige Regierung unter Präsident Antonio Saca will davon nichts wissen. Es sei nicht angebracht, das Amnestiegesetz von 1993, das unmittelbar nach Veröffentlichung des Berichts der Wahrheitskommission durch das Parlament gepeitscht worden war, anzutasten. "Die Wunden der Vergangenheit aufzureißen", wäre nicht nützlich für ein Land, das in die Zukunft gehe.

Gerade für diese Zukunft habe die Botschaft Romeros an Aktualität nichts verloren, meint der salvadorianische Jesuitentheologe Jon Sobrino, der über Romero mehrere Bücher geschrieben hat: "In einer Welt voller Grausamkeiten ist Romero ein Symbol der Gerechtigkeit und des Trostes. Gestern waren es die brutalen Massaker, die diese Welt kennzeichneten, heute sind es die alltägliche Armut, die alltägliche Gewalt und die alltägliche Missachtung der Mehrheit des Volkes."

Während die offizielle Kirche Romero in erster Linie als frommen Seelsorger feiern will, haben die Befreiungstheologen für Ende März in San Salvador ein internationales theologische Symposion einberufen, wo bewiesen werden soll, dass die Interpretation des Evangeliums als soziale und politische Heilsbotschaft nicht überholt ist. Der Peruaner Gustavo Gutiérrez, der als Gründer der Befreiungstheologie gilt, soll das Hauptreferat halten.

ROMERO-GedenkVERANSTALTUNGEN:

GOTT IDENTIFIZIERT SICH MIT DEN ARMEN

Lateinamerikanischer Kreuzweg > mit anschließender Liturgie, Filmvorführung: "Romero"

Ort: Pfarre Akkonplatz, 1150 Wien, Oeverseestraße 2c

Sonntag, 20. März, 16 Uhr 30

IKONE DER GERECHTIGKEIT UND SOLIDARITÄT

Ausstellung von Romero-Plakaten aus zwei Jahrzehnten

Ort: JesuitenFoyer, 1010 Wien, Bäckerstraße 18 Infos: http://elsalvador-info.org

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