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Die Soziale Verantwortung der Kirche

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Auf die Ermordung des Erzbischofs von San Salvador folgte das Blutbad bei seinem Begräbnis: 40 Tote mehr zu den 1500 dazu, die seit Jänner 1979 in El Salvador eines gewaltsamen Todes gestorben sind.

Drei Tage zuvor war in einem anderen lateinamerikanischen Staat, in Bolivien, die Leiche des zu Tode gefolterten Jesuitenpaters Luis Espinal gefunden worden. Er war einer der führenden Vertreter der bolivianischen Menschenrechtsbewegung und Teilnehmer an einem Hungerstreik gewesen, der 1978 das Ende des Diktaturregimes Banzer einleitete.

Politischer Karfreitag 1980.

Bei der lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Puebla hat Papst Johannes Paul vor Jahresfrist klargestellt, daß Priester und Bischöfe geistige Anwälte der ihnen anvertrauten Menschen, aber nicht Politiker, Gewerkschafts- oder gar Guerilleroführer zu sein hätten.

Aber Papst und Bischöfe haben bei derselben Gelegenheit ebenso klargemacht, daß solche Anwaltschaft die Ermunterung und Förderung aller Bemühungen auch um gerechtere gesellschaftliche Strukturen einschließt.

Erzbischof Romero hat nicht mit der Waffe in der Hand, aber mit geistigen und geistlichen Waffen gekämpft auch gegen die reaktionären Bremser der Bodenreform. Er mußte sterben nicht weil er ein Linker oder ein Rechter, sondern weil er ein Gerechter war.

Daß im vergangenen Jahr insgesamt in Lateinamerika ein bescheiden positiver Trend zugunsten verfassungs- und grundrechtsbezogener Regierungen feststellbar war, ist nicht zuletzt dem engagierten Einsatz katholischer Sozialreformer zu danken: in El Salvador wie in Bolivien, in Ekuador und Peru, in Nicaragua und in Brasilien.

Ohne Engagement auch zugunsten wirksamer Gesellschaftsreformen kann die Kirche nicht glaubwürdig bleiben -nicht in Lateinamerika, wodas Mißverhältnis zwischen sozialer Ungerechtigkeit und dem papierenen Mehrheitsbekenntnis zur römisch-katholischen Religion seit Jahrzehnten zum Himmel schreit, und nicht in irgendeinem anderen Kontinent oder Land dieser Erde.

In der westlichen Welt sind wir in den letzten Jahren Zeugen eines erschrek-kenden Auszugs der jungen Generation aus Gesellschaft und Politik, ihres Rückzugs von Engagement und Aktion im öffentlichen Leben geworden.

Freue sich keiner vorschnell über die Überwindung des linksradikalen Uto-pismus der späten sechziger Jahre! Gefährlicher noch als Verirrung sind auf Dauer Gleichgültigkeit und Resignation.

Ein klares, deutliches, von jeder Halbher'zigkeit freies Signal ist vonnö-ten. Ungeachtet aller Mitwirkungsbefugnisse der Laien erwartet ein solches das Volk noch immer vor allem von Seiten der Bischöfe.

1981 wird ein Jubiläumsjahr der kirchlichen Soziallehre sein: 90 Jahre „Rerum novarum", 50 Jahre „Quadra-gesimo anno", 25 Jahre Sozialhirtenbriefe der Bischöfe Österreichs. Industriewelt, bäuerliche Welt und Staat waren Gegenstand dieses 1956 aufrüttelnd wirkenden Dokumentes. Könnte 1981 etwa der gesamtmenschlichen Solidarität ein gleich mächtiges Hirtenwort gewidmet sein?

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