Typisch Chef: Welche Führer wählt der Mensch?

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Kraft und Attraktivität sind am Anfang wesentlich. Später werden Rhetorik, Kompetenz und die Fähigkeit wichtig, Vertrauen herzustellen.

Seien es hunderte Soldaten in gepflegten Uniformen, die am Nationalfeiertag stramm am Heldenplatz exerzieren, oder 22 Fußballspieler, die sich den Regeln des Schiedsrichters fügen: Sie alle unterwerfen sich gesellschaftlich verankerter Autorität, derer ein Befehlshaber mächtig ist. Doch wer ist es, dem zuallererst von einer Gruppe Autorität zugeschrieben wird? Wie für eine Gruppe wilder kenianischer Paviane ist auch für das "Herdentier“ Mensch im Anfangsstadion einer Gruppen- und Hierarchiebildung der erste Eindruck entscheidend: Sportlichkeit, Gesundheit, Attraktivität. Zu dieser Erkenntnis ist jedenfalls der US-amerikanische Biologe und Neurologe Robert M. Sapolsky gelangt, nachdem er 20 Jahre lang in der afrikanischen Wildnis mit einer Anubispavianhorde zusammengelebt hatte. Nach und nach, so Sapolsky, sei es jedoch unerlässlich, diese körperlichen Basiseigenschaften durch psychologische Fertigkeiten zu ergänzen, um nicht von einem Mitstreiter verdrängt zu werden. Intelligenz und das Wissen darum, den anderen bestmöglich auszuspielen, seien schlussendlich viel bedeutendere Aspekte im Erlangen von Autorität als die physischen Eigenschaften.

Ob und inwiefern körperliche Fitness tatsächlich an Bedeutung verloren hat, ist indes umstritten. Man denke etwa an Überstunden und Wochenendarbeit, die Führungskräfte in Kauf nehmen, um mehr Arbeit leisten zu können, an Schlafentzug oder an die Notwendigkeit permanenter Konzentration, für die sehr wohl eine gute physische Kondition notwendig ist. Auch strapazieren etwa Politiker in ihrer Selbstdarstellung vor allem jene Attribute, die Gesundheit, Kraft und Ausdauer vermitteln. So liegt es nicht fern, dass sie sich gerne sportlich zeigen, beim Wandern oder bei einem Marathon.

Autorität auf Basis von Vertrauen

Die höchste Autorität könne sich derjenige verschaffen, der am meisten spricht, ist indes der Sozialpsychologe Andreas Olbrich-Baumann überzeugt, der am Institut für Wirtschaftspsychologie, Bildungspsychologie und Evaluation der Uni tätig ist. Dabei sei es sekundär, um welchen Inhalt es sich handle. Vielmehr impliziere die Tatsache, dass jemand kommunikativ sei, gleichzeitig ein gewisses Maß an Engagement und Motivation, sich für die Gruppe einzusetzen - ein indirekter Hinweisreiz für die Gruppenmitglieder. Gebe es mehrere sprachlich aktive Mitstreiter, dann gehe es darum, wer sich am auffälligsten verhalte und ob man physiologisch jenen Idolen gleiche, die aus Kultur, Film und Literatur bekannt seien. Zu den Zeiten der Star Trek-Filme wurde diese Prototypen-Theorie etwa insofern durch Studien bestätigt, als jene Personen, die dem Führungscharakter Captain Kirk optisch ähnelten, leichter hohe Positionen erreichten.

Ist die autoritäre Position einmal erreicht, so sei es nach Olbrich-Baumann unabdingbar, einen so genannten "idiosynkratischen Kredit“ aufzunehmen: Die Führungsperson müsse Vertrauen zu den Individuen herstellen, Symbole der Gruppe annehmen. Der Wiener Medientrainer Stefan Wagner geht noch weiter: Menschen würden nur diejenigen als Autoritäten anerkennen, zu denen sie Vertrauen hätten. Jede Führungsperson verkörpere bestimmte persönliche Attribute, die es zu kultivieren und zugänglich zu machen gelte, um Autorität auf Basis von Vertrauen zu festigen. Das funktioniere sowohl mit positiven als auch mit negativen Eigenschaften: Sobald etwa jemand immer negativ gestimmt ist, sei das zwar nicht positiv, das Umfeld könne aber damit rechnen, dass diese Person stets so agiere. Das wiederum schaffe Vertrauen.

Wie "soziale Wärme“ ist auch der Begriff "Vertrauen“ freilich häufig weiblich konnotiert. Können weibliche Führungskräfte ihre Autorität deshalb auch explizit durch diese Fähigkeit erlangen? Nein, meint Andreas Olbrich-Baumann, der sich als Sozialpsychologe intensiv mit Führungspositionen beschäftigt. Führungskräfte müssten jedenfalls ziel- und managementorientiert sein, man müsse ihnen Kompetenz zuschreiben können - ganz egal, ob weiblich oder männlich.

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