"Resignation ist nicht erlaubt!“

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Er hat sich über die Atom-Euphorie in Seibersdorf geärgert, Zwentendorf und Hainburg mitverhindert, gegen Gentechnik und Euratom gekämpft. Heute blickt Peter Weish erschüttert nach Fukushima - und hofft trotz allem auf die menschliche Lernfähigkeit.

Eigentlich könnte er gerade so etwas wie klammheimliche Befriedigung verspüren, hier, in seinem etwas altmodischen Gersthofer Haus, inmitten seiner Fische, Würmer, Gleitbeutler, Frösche und Spinnen. Eigentlich könnte er mit rechthaberischem Gestus sagen: Seht hin nach Fukushima! Ich habe es schon immer gewusst!

Doch Peter Weish geht es schlecht in diesen Tagen. Es geht ihm ähnlich wie vor 25 Jahren bei Tschernobyl, als er - wie heute - versucht hat, sich in die Lage der Betroffenen hineinzudenken. "Das Erschütternde ist, dass die Verantwortlichen für diese Katastrophen und für das Leid zahlloser Menschen einfach Bewusstseinsverweigerung betrieben haben“, sagt der 64 -Jährige bitter.

Als es 1979 in Three Mile Island fast zur Katastrophe kam, hätten die Russen noch behauptet: Das kann uns nicht passieren! Als 1986 Tschernobyl in die Luft flog, sagte alle Welt: Wir haben bessere Reaktoren! Und nun sagt der tschechische Premierminister: Bei uns gibt es keine Tsunamis! "So zu argumentieren ist absurd“, empört sich Weish, "das Gemeinsame besteht doch darin, dass eine große Menge höchst gefährlicher Substanzen mit unheimlichen Energiedichten in einer komplexen Anlage steckt - und dass eine Reihe unglücklicher Verknüpfungen zu einem Systemunfall führen kann.“ Wenn aber eine Technik so gefährlich und so wenig beherrschar sei, dann sei es höchste Zeit, sich von ihr zu verabschieden.

Welche Risiken die Kernenergie in sich birgt, hat Peter Weish schon am Beginn seiner akademischen Laufbahn erfahren. Auf der Suche nach einer Doktorandenstelle landet der Student, der schon als Volksschüler Naturforscher werden will und später vom Chemie- auf das Biologie- und Physikstudium wechselt, am Reaktorzentrum Seibersdorf. 1966 wird er am Institut für Strahlenschutz als Wissenschafter angestellt.

Anfangs noch fasziniert, beobachtet er die "Euphorie, mit der man hier ins Atomzeitalter hineingeht“, mit wachsender Sorge. Während Strahlenschutz eher stiefmütterlich behandelt wird, stehen nach Dafürhalten des jungen Wissenschafters Eigeninteressen im Vordergrund. Als ein Seibersdorf-Verantwortlicher im Rundunk behauptet, dass Strahlung nicht Krebs auslösen, sondern im Gegenteil Krebs heilen könne, reißt dem Strahlenbiologen die Geduld und er publiziert in der Pfadfinder-Zeitung Aufbruch eine Anti-Atom-Philippika.

"Aus Freude bärtige Kommunisten geküsst“

Der Artikel markiert nicht zuletzt den Aufbruch des Umweltaktivisten Peter Weish. Er verlässt Seibersdorf, wird Assistent am Institut für Zoologie der Universität für Bodenkultur und folgt 1974 Bernd Lötsch ans neue Institut für Umweltwissenschaften und Naturschutz, das zuerst der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft und ab 1978 der Akademie der Wissenschaften zugeordnet wird.

In das Jahr 1978 fällt auch jenes Ereignis, das Weish bis heute als bestes Beispiel dafür dient, was Engagement und Leidenschaft zu leisten vermögen: die Volksabstimmung über Zwentendorf (siehe unten). Von Anfang an ist der Wissenschafter in der basisdemokratischen Anti-AKW-Bewegung involviert. Als am Abend des 5. November schließlich bekannt wird, dass sich knappe 50,47 Prozent gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks ausgesprochen haben, ist der 42-Jährige außer sich vor Freude: "Nie wieder in meinem Leben habe ich so viele bärtige Kommunisten geherzt und geküsst wie an diesem Abend“, erzählt der Mann, der aus Prinzip bis heute keiner Partei angehört.

Auch bei der Besetzung der Hainburger Au 1984 ist Weish, mittlerweile auch Lehrbeauftragter für Humanökologie an der BOKU, "no na net“ dabei. In seinem schönsten Mantel und mit Hut wird er verhaftet und "in die Grüne Minna“, den Gefangenentransportwagen der Polizei, gesteckt - ebenso zwei Jahre später, als er bei einem Sit-In vor der Hofburg teilnimmt, um gegen eine Trauerminute der Internationalen Atombehörde IAEO für die "30 Opfer von Tschernobyl“ zu demonstrieren. Fünf Stunden verbringt er damals im Polizeigefangenenhaus der Stadt Wien, was ebenso in seinem STAPO-Akt vermerkt ist wie die (falsche) Behauptung, er seit Mitglied der revolutionären Marxisten. "Ich war damals schon ein subversives Element“, sagt Peter Weish schelmisch. "Ich habe nicht ohne Stolz gesagt: Wer noch niemals eingesperrt war, ist als Umweltaktivist nicht ernst zu nehmen.“

Doch woher kommt dieses Aufbegehren? Was hat ihn dazu getrieben, 1997 das (sehr erfolgreiche) Gentechnikvolksbegehren zu lancieren oder sich zuletzt im Personenkomitee von "Raus aus Euratom“ einzubringen, obwohl er zu Recht befürchtet hat, dass in dieser Causa ein Volksbegehren fehl am Platze sei? "Ich mache das aus einem gewissen Gerechtigkeits-Sinn heraus“, meint der alte Mann und nimmt die Plastikschale mit Würmern vom Tisch. "Und als vehementer Optimist sage ich: Resignation ist nicht erlaubt!“ Außerdem habe er als Wissenschafter eine Mission zu erfüllen: "Hier halte ich es mit Jean-Jacques Rousseau:, Ich würde mir nicht anmaßen, die Menschen zu belehren, wenn andere sie nicht irreführten.‘“

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