Im Seminarraum der Jugend-Umwelt-Plattform (JUMP) in Wien-Alsergrund ist gerade die Vorbesprechung des diesjährigen Frequency-"Green Teams" zu Ende gegangen: Schon das zweite Jahr in Folge haben 100 Jugendliche beim Musikfestival in St. Pölten mit kreativen Aktionen den Müllbergen vor Ort den Kampf angesagt. Zwei der Teilnehmer sind die 20-jährige Stella Antonia Waszilovics und der 19-jährige Johannes Schneeberger. "Umweltschutz ist ein allgegenwärtiges Thema. Wir haben nur einen Planeten und sollten ihn nicht zerstören", begründet Waszilovics ihr Engagement für die Umwelt. "Ich habe diese Aktion am Frequency-Festival letztes Jahr selbst miterlebt und habe es sehr gut gefunden -natürlich auch unter dem Aspekt, dass man als Student nicht so viel Geld für eine Karte hat", meint Schneeberger. Für ihren Einsatz im Green Team werden die Freiwilligen mit einem Festivalpass inklusive Zeltplatz ausgestattet. Spaß, Eigennutz und Engagement -das Erfolgsrezept der Jugend-Umwelt-Plattform. "So ähnlich legen wir alle unsere Projekte an: Es bringt einem selbst etwas und gleichzeitig engagiere ich mich", erklärt Angelika Rainer, stellvertretende Geschäftsführerin von JUMP.
Abholzung und "Wohlstandsgrün"
Dass der Umweltschutz bei der jugendlichen Generation heute eine besonders große Rolle spielt, ist damit aber nicht gesagt: Während schon viele den Weg in ein Leben im Zeichen der Nachhaltigkeit eingeschlagen haben, gelte man, so Stella Antonia Waszilovics, bei anderen schnell als "Umwelt-Fuzzi". Diese ambivalente Situation spiegelt auch der Naturschutz im Laufe der Geschichte wider: "Es gibt seit der Urzeit Abholzungen und Ausrottungen. Früher war man der Meinung, dass unsere Ressourcen unendlich sind", erklärt Alexander Gratzer vom Verein für Ökologie und Umweltforschung (VÖU). Gleichzeitig ist auch die Sorge um die Umwelt tief in der Gesellschaft verankert: "Schon im griechischen Altertum hat man erkannt, dass die Zerstörungen des Menschen im Mittelmeerraum enorm sind. Um diese Vernichtung zu stoppen, hat man der Göttin Artemis einige Haine gewidmet", weiß Umweltethiker Peter Weish. Erste Züge des Umweltschutzes in einer modernen Gesellschaft zeigten sich nach dem Zweiten Weltkrieg und der ersten wirtschaftlichen Sättigung nach dem Wiederaufbau. In dieser Zeit ging es aber vorrangig um die Erhaltung des neu erworbenen Standards. "Die gebauten Häuschen am Stadtrand sollten geschützt und das schöne Grün erhalten werden -es ging eher in Richtung 'Wohlstandsgrün'", so Gratzer. Mit dem neu aufgebauten Leben im lang ersehnten Wohlstand werden auch neue Entwicklungen der Industrie angetrieben, schnell werden erneut Umweltvergehen -Stichwort Kernenergie - begangen. "Ich möchte das nicht unbedingt als Umweltsünde bezeichnen, denn dazu braucht es immer auch ein Bewusstsein. Das gab es damals nicht -man war sich schlichtweg nicht klar darüber, was derartige Entwicklungen anrichten können", so Gratzer.
In einer Hinsicht jedoch spricht Gratzer sehr wohl von einer Umweltsünde der Nachkriegsgeneration: Sogenannte Technikfolgenabschätzungen, durch die die Umweltverträglichkeit gewisser Stoffe vor ihrem Einsatz geprüft wird, wurden in der Euphorie des Wirtschaftswachstums nicht angestellt. "Hätte man das im Bereich Atomkraft oder Chemie getan, hätte man gewusst, dass gewisse Substanzen sehr gefährlich und nicht abschätzbar sind", so Gratzer.
Umweltsünden scheinen auch die heutige Jugend zu beschäftigen: Nach dem Ergebnis der Jugendtrendstudie 2011 verlangen Jugendliche, dass Unternehmen, die der Umwelt schaden, stark bestraft werden sollen. "Es geht gar nicht mehr anders. Ich denke, dass dem Großteil bewusst ist, dass wir in dieser Form nicht mehr weiterleben können", erklärt sich Christine Wogowitsch, Vizerektorin der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, diese Haltung.
Auch Alexander Gratzer weiß, in welchen Punkten sich die heutige Jugend von früheren Generationen unterscheidet: "Früher war es beispielsweise für Maturanten wichtig, ein Auto zu haben. Heute geht es mehr um Lebensqualität als um Mobilität und die Jungen lehnen den Konsum teilweise sogar ab. Das sind gute Ansätze." Etwas zurückhaltend nimmt Umweltethiker Weish das Verhalten der jungen Generation wahr: "Man ist sich darüber einig, dass etwas getan werden muss. Das individuelle Verantwortungsgefühl steht aber der organisierten Verantwortungslosigkeit -etwa in Form von Konzernen, der Rüstungsindustrie oder dem Finanzmarkt - gegenüber, und diese kennt keine Moral. Die Leute sind hilflos und vertrauen schließlich diesen Mächten." Die Umweltkrise sei für die Jungen schon zur alltäglichen Lebensrealität geworden.
Unüberschaubarkeit der Prozesse
Obwohl diese Krise bereits allgegenwärtig ist, gibt es auch heute noch unzählige Verhaltensweisen, die kaum einer nachhaltigen Gesellschaft entsprechen: Rund 70 Prozent der genießbaren Lebensmittel finden sich in Müllcontainern, Produkte aller Art werden als austauschbar angesehen. "Früher waren die Produktionsprozesse überschaubar. Heute entfernen wir uns immer mehr von diesen Vorgängen und haben kein Verständnis dafür, wie Ressourcen geschont werden können", findet Christine Wogowitsch. Ein Umstand, der in früheren Generationen kaum denkbar gewesen wäre.
Betrachtet man die momentane Lage der Umwelt, stellt sich früher oder später die Frage, wer diese Situation verschuldet hat. "Natürlich hat die ältere Generation eine Teilschuld, weil über lange Zeit Dinge passiert sind, die nicht in Ordnung waren", meint die Studentin Stella Antonia Waszilovics. Zur Gänze möchte man die Situation früheren Jahrgängen aber nicht zur Last legen: "Heute gibt es viel Öffentlichkeitsarbeit, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Deshalb würde ich es eher so sehen, dass man jenen Menschen, die sich schon in den 80er-Jahren eingesetzt haben, Respekt entgegen bringen sollte - sie wurden für ihr umweltfreundliches Verhalten regelrecht ausgegrenzt", so das zweite Green-Team-Mitglied Johannes Schneeberger. Dass es immer schwierig ist, das Verhalten einer ganzen Generation zu beurteilen, weiß auch Umweltethiker Peter Weish: "Es hat in jeder Zeit auch verantwortungsbewusste Menschen mit einem wachen Gewissen gegeben. Wenn sie sich nicht durchsetzen konnten, darf man ihnen keinen Vorwurf daraus machen."
Die nächsten vier Milliarden Jahre
Um die Erde im Sinne der Generationengerechtigkeit auch für viele folgende Jahrgänge möglichst gesund zu erhalten, gibt es laut Alexander Gratzer vom Verein für Ökologie und Umweltforschung noch viel zu tun: "Wir müssen beispielsweise lernen, durch die Technik jene Verletzungen wieder zu heilen, die wir der Natur erst zugefügt haben." So sei es beispielsweise nach dem Bau eines Wasserkraftwerkes unbedingt notwendig, jene Lebensräume wieder herzustellen, die bei den Arbeiten zerstört wurden. Wichtig ist laut Umweltethiker Weish auch das Bewusstsein über die Lebensdauer der Erde: "Das Leben auf der Erde ist etwa vier Milliarden Jahre alt -so lange wird die Sonne laut Astrophysikern auch noch scheinen." Vom weiteren Verhalten der Menschheit sei es aber abhängig, in welcher Form Menschen diese Welt künftig bevölkern würden. "Wir müssen schleunigst aufhören, uns zu verhalten wie die letzten Menschen", bekräftigt er, "denn nach uns können noch tausende Generationen kommen."
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