Babylonische Wundermaschine

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Ein alter Wunschtraum der Menschheit ist es, die Sprachenverwirrung zu überwinden. Sind intelligente Maschinen die Lösung des Problems?

Der Wodka ist gut, aber das Steak ist verdorben", soll angeblich aus dem Satz "Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach" geworden sein, nachdem er mit Hilfe eines Übersetzugsprogramms ins Russische und anschließend wieder ins Englische übersetzt worden war. Die Geburtsstunde der maschinellen Übersetzung kann in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts angesiedelt werden, als man sich mit Hilfe von Computern erhoffte, der babylonischen Sprachverwirrung endgültig beikommen zu können. Sprache galt als ein berechenbares und statistisch erfassbares Phänomen. Ein zentraler Motor für das Vorantreiben der Forschung waren militärische Interesse: Ziel war es, den Militärs ohne Umweg über Dritte russische Dokumente und Fachtexte zugänglich zu machen. Die anfängliche Euphorie legte sich rasch wieder, als man merkte, dass die hoch gesteckten Ziele einer vollautomatischen Übersetzung ohne menschliche Vor- und Nachbereitung nicht realisierbar waren. 1966 kam es mit dem für das Pentagon erstellten alpac-Report, der die erzielten Ergebnisse der maschinellen Übersetzung bewerten sollte, zu einem Wendepunkt und die Forschung kam in den usa beinahe zum Erliegen.

Zeit- und Kostenersparnis

"Das eigentliche Problem der maschinellen Übersetzung war immer die Schere zwischen dem, was Laien sich erhofft haben, und dem, was technisch vernünftig realisierbar war", so Ernst Buchberger vom Institut für Medizinische Kybernetik und Artificial Intelligence der Medizinischen Universität Wien. Die Vorstellung von einem System, das in der Lage ist, alles perfekt in eine andere Sprache zu übertragen, hält Buchberger für einen Wunschtraum. Allerdings können maschinelle Übersetzungen tatsächlich Zeit und Kosten sparende Rohübersetzungen liefern, die anschließend vom Menschen nachredigiert werden. Man spricht deswegen auch von maschinenunterstützter Übersetzung. "Studien haben gezeigt, dass man so ein Drittel bis die Hälfte des Aufwands einsparen kann", so Buchberger.

Übersetzungssysteme kommen bereits in verschiedenen Bereichen zum Einsatz und vor allem da, wo große Mengen an Texten anfallen, die aus gesetzlichen Gründen, wie zum Beispiel in der eu, oder aus marktwirtschaftlichen Überlegungen in andere Sprachen übersetzt werden müssen. Ein anderer Anwendungsbereich ist das ständig anwachsende Informationsbedürfnis. Gilt es nur, sich einen raschen Überblick zu verschaffen, können schlechter Stil und kleinere Fehler in Kauf genommen werden.

Übersetzungssysteme arbeiten mit verschiedenen Methoden. Begonnen hatte man mit der direkten Übersetzung, welche den Ausgangstext Wort für Wort in derselben Reihenfolge in die Zielsprache überträgt. Die Fehlerquoten sind dementsprechend hoch. Die klassische transfer-basierte Methode besteht in drei Schritten: Analyse, Transfer und Generation. Die grammatikalischen Strukturen des Ausgangstextes werden analysiert und in entsprechende grammatikalische Muster der Zielsprache übertragen. Zuletzt werden dann die Wörter der Zielsprache in das Muster eingetragen. Diese Methode hat den Nachteil, dass Transferkomponenten für alle beteiligten Sprachpaare definiert werden müssen. Einen Aufwand, den das Interlingua-System umgeht, indem die grammatikalische Information des Ausgangstextes in einer universell angenommenen Zwischen-Sprache, der Interlingua, ausgedrückt wird. Aus der Zwischen-Sprache wird dann die grammatikalische Information für die Zielsprache gewonnen. Bei nahe verwandten Sprachen funktioniere dieses System relativ gut, so Buchberger, aber der Analyseaufwand für strukturell sehr unterschiedliche Sprachen sei sehr hoch, da man sich für jede Sprache die relevanten Unterschiede überlegen müsse: "Im Deutschen verwendet man zum Beispiel die zwei Verben tragen' und anziehen' für Kleidung. Diese Unterscheidung gibt es im Japanischen nicht. Allerdings kennt diese Sprache für jedes Kleidungsstück ein eigenes Zeitwort, das dann sowohl anziehen' als auch tragen' bedeutet". Eine weitere Methode ist die beispiel-basierte Übersetzung, die vor allem verwendet wird, wenn bereits große Datenmengen zweisprachig in maschinell lesbarer Form vorhanden sind, wie das zum Beispiel im kanadischen Parlament der Fall ist. Für weitere Übersetzungen lässt man den Computer in diesem Archiv ähnliche Sätze oder Satzteile suchen, die dann zusammengebastelt werden.

Ungeeignet für Literatur

Die größte Schwierigkeit der maschinellen Übersetzung liegt für Buchberger im Bereich der Semantik, der Wortbedeutung, und hier vor allem bei der Mehrdeutigkeit von Wörtern, die eine Eins-zu-eins-Übertragung in andere Sprachen nicht zulässt. Ein Phänomen, das Laien oft verblüfft, ist, dass, je spezifischer - und somit für den nicht spezialisierten Leser komplizierter - die Sprache wird, sie desto leichter maschinell übersetzt werden kann. "Elektronenstrahloszillograf hat eben nur eine Bedeutung und nicht 50, wie das Wort gehen", so Buchberger. Auch die Pragmatik, die situationsbezogene Verwendung von Sprache, stellt die Computerlinguistik vor eine große Herausforderung. "Was den Maschinen fehlt, ist Weltwissen. Sinnzusammenhänge herzustellen und Anspielungen zu verstehen ist auch für menschliche Übersetzter gelegentlich schwer", so Buchberger, der weitere Forschungen für absolut sinnvoll hält, allerdings immer mit dem Bewusstsein für das Machbare. Vor allem die Belletristik sei kein sinnvolles Einsatzgebiet für die automatische Übersetzung, da hier zusätzlich zum Inhalt auch noch die Form bedeutend wird. Vergleicht man beispielsweise die deutsche Übersetzung "Anton Voyls Fortgang" mit dem französischen Original von George Perec, in dem der Buchstabe e' nie vorkommt, so bemerkt man, wie viel mit Umschreibungen gearbeitet wird. "Der Mensch hat so viele Möglichkeiten, Dinge zu formulieren, aber bei der maschinellen Übersetzung muss man froh sein, wenn sie irgendwie in der Lage ist, halbwegs den Sinn wiederzugeben", so Buchberger.

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