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DAS FEUERZEUG

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Es war also so: Wir, meine Frau und ich, fuhren mit dem Schiff einer italienischen Linie vom nunmehr jugoslawischen Piran (Pirano) nach Triest. Es war Wochenende und das Schiff von Triestinern überfüllt, wobei unzählige Kinder einen für ihre Zukunft vielversprechenden Lärm machten und unermüdlich über sämtliche vorhandenen Füße stolperten. Ein neben uns sitzender Herr in reiferen Jahren bemühte sich, uns die Landschaft des Küstenstrichs mit den Konservenfabriken usw. zu erklären, wobei er betonte, wie gut es ihm und seinen Eltern in der österreichischen Vergangenheit in Triest gegangen sei. „Wissen Sie“, fuhr er nach einer Weile deutsch fort, „wir sind alle noch immer Oesterreicher, heute ist Triest nichts, Stadt ohne Hinterland, am Stadtrand schon die Staatsgrenze. Hier“, er langte in die.linke Rocktasche, „sehen Siel“, und er zog ein sogenanntes Triplex-Feuerzeug, vielleicht die bei uns meistverbreitete Feuerzeugtype, heraus und wies es auf der flachen Hand vor, gewissermaßen als Legitimation. „Auch ich bin noch immer Oesterreicher“, meinte ein zweiter Herr. „Ich habe drei Jahre in der Wiener Rennwegkaserne als Artillerist gedient, wenn ich nicht so alt wäre, würde ich gleich wieder nach Wien gehen.“ Wieder der Griff in die linke Rocktasche, wieder das gleiche Feuerzeug. „Glauben Sie es mir?“ „Ich auch“, sagt der dritte und zeigt seine Feuerzeuglegitimation. „Wir Triestiner wissen sehr gut, daß wir auch heute noch von Oesterreich leben. Den Italienern (ich bin selbst Triestiner und italienischer Nationalität) sind ihre alten Häfen wichtiger. Weshalb sie uns eingesteckt haben, weiß der Himmel. Beide Teile haben nichts davon. Es wäre schon Zeit, daß wir wieder mit Oesterreich irgendwie' zusammenkomrfien.“

Eine kleine, aber bezeichnende Geschichte, die durch die Aufnahme von Oesterreichern in Triest kräftig unterstützt wird. Schilling werden im Hotel und in Geschäften glatt in Zahlung genommen, und ein paar Reichsdeutsche, die mit den gewiß nicht weniger wertvollen Mark zahlen wollten, wurden vom Ober im Cafe Specchi glatt in eine Wechselstube zum Lireeintausch geschickt. Der am Hafen erhältliche kurz gefaßte Faltprospekt über Triest enthält im Geschichtsabriß der Stadt einen Satz von der „unvorstellbaren Blüte Triests unter Maria Theresia“, während die Eingliederung in Italien • mit den kurzen Worten: „Im Jahre 1918 kehrte Triest ins Mutterland zurück“ abgetan wird.

Die Ausstrahlungskraft Altösterreichs wirkt hier, wie auch in Jugoslawien, noch immer nach, und die franzisco-josephinische Epoche ist zumin-destens der älteren Generation eine wehmütige Erinnerung — an bessere Zeiten.

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