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Österreichs Forderungen

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Dazu nur zwei Beispiele: Der amerikanische Hochkommissar in Wien, Mr. Thompson, der dazu ausersehen war, in allergeheimster Mission den Triester Pakt in London unterschriftsreif zu machen, hat trotz seines Berufdomizils Wien das wirtschaftliche Hinterland Oesterreich bei der Behandlung der Triester Frage nicht beachtet. Anderseits hat der englische Außenininister Eden während seines Urlaubsbesuches in Oesterreich, 1954, laut Pressemeldungen den englischen Botschafter in Belgrad nach Kärnten berufen, um mit ihm die Triester Frage zu erörtern. Gleichzeitig brachten die Zeitungen die Nachricht, daß Eden bedauere, nicht die Zeit gefunden zu haben, mit Außenminister Figl zusammenzukommen. Wahrlich: Austria erit in orbe ultima! Es wird Sache eines erstarkenden Staatsbewußtseins sein müssen, sich in Zukunft gegen eine ähnliche Mißachtung zur Wehr zu setzen.

Mit anderen Worten: Oesterreich muß sein Schweigen brechen und, unter Beiseitelassung jeglicher Sentimentalität, ein w i r t s c h-a f t- liches Forderungsprogramm hinsichtlich des Hafens von Triest aufstellen, das die Benützung dieses Hafens für Oesterreich unter möglichst günstigen Voraussetzungen sichert. Zum Wohle Oesterreichs und auch Triests!

Oesterreich hat in der Aufstellung dieses Programms kühn, zusammenfassend und vorausblickend vorzugehen. Grundlagen dafür sind der Akkord von Rom vom Jahre 193 5, der nach Gutachten von Juristen internationalen Rechtes heute noch als de facto bestehend anerkannt wird, und der Friedensvertrag vom Jahre 1947 mit seinen damaligen Bestimmungen, die per analogiam auch heute noch zu gelten haben. Weiter die Londoner Konferenz, die von der Internationalisierung des Triester Hafens, wenn auch bisher ohne näheren Kommentar, gesprochen hat. Schließlich auch die Erklärung des italienischen Botschafters in Wien unserer Regierung gegenüber, daß alles getan werden müsse, um den Wirtschaftswünschen Oesterreichs am Triester Hafen seitens Italiens Rechnung zu tragen.

Die Berechtigung Oesterreichs zur Anmeldung seiner Forderung geht vor allem auch daraus hervor, daß Triest mit seinem Hafen immer eine Funktion des Hinterlandes, vor allem eben Oesterreichs, war, ist und sein wird, wobei die

Geographie das natürliche Element, Bahn und Straßen mangels eines Wasserweges das künstliche Element darstellen. Den hervorragenden Anteil Oesterreichs an der Beschickung des Triester Hafens zeigen zum Beispiel die Zahlen aus dem Jahr 1953. So betrug 1953 die Fracht von Oesterreich nach Triest 558.000 Tonnen und von Triest nach Oesterreich 8 50.000 Tonnen. Das sind zusammen insgesamt 1,408.000 Tonnen. Demgegenüber verfrachteten die anderen Staaten im Jahre 1953 nach Triest 290.967 Tonnen und zurück 299.160 Tonnen, also insgesamt lediglich 590,127 Tonnen. Der Anteil Oesterreichs betrug also weit mehr als das Doppelte.

Aus diesem Grund hat das Triester Komitee am Sitze der Grazer Handelskammer ein Forderungsprogramm entwickelt dessen Unterstützung durch die österreichische Bundesregierung das Komitee für äußerst vordringlich hält.

1. Mitspracherecht durch Bildung einer internationalen Freihafenkommission, in der Oesterreich Vorsitz, auf jeden Fall aber ein hervorragendes, qualifiziertes Stimmrecht haben müßte. (Bilaterale Korn m i s s i o n würde Transit von für Triest bestimmter Drittlandsware über Oestereich auf lange Sicht beeinträchtigen.)

2. Grundsätzliche Gleichstellung österreichischer Waren mit italienischen Waren oder Drittlandswaren hinsichtlich aller Gebühren und Tarife, sofern nicht von vornherein präferente Behandlung Oesterreichs durchsetzbar erscheint.

3. Freiheit des direkten Transitverkehrs für österreichische Waren nach und von dem Triester Hafen, es sei denn, es handelt sich um Verbotsgüter, deren Kontrolle behördlicherseits kostenlos zu erfolgen hätte.

4. Revision der bestehenden Verbandssatzungen im Eisenbahnverkehr über Triest, tim eine Begünstigung des gesamtösterreichischen Verkehrs über Triest gegenüber anderen Ausfuhrhäfen zu sichern.

5. Reaktivierung des ungehinderten Verkehrs über die Südbahnlinie nach Triest.

6. Günstige Verschiffungs-, Umschlags- und Lagergebühren.

7. Verdichtung des Liniendienstes von und nach Triest, wobei besonders auf die Verdichtung der Schiffahrtslinien nach den Relationen Indien. Südamerika, aber auch nach den Relationen Südafrika und Nordamerika gedrängt werden soll.

8. Grundsätzliche Zulassung für die Beheimatung und Ausrüstung allfälliger österreichischer Schiffe in Triest.

9. Errichtung österreichischer Bankfilialen in Triest.

10. Schaffung eines Oesterreich-Hauses in Triest.

11. Sonderbestimmungen für die Beschäftigung von Oesterreichern in Triest bezüglich Schifffahrt, Handel und Verkehr.

12. Unterstützung der Kammer zur Förderung des Verkehrs zwischen Oesterreich und Triest.

13. Schaffung einer Filialinstitution des österreichischen Kulturinstitutes Rom in Triest.

14. Einräumung des Rechtes, eine deutsche, zweisprachig periodisch erscheinende Wirtschaftszeitung in Triest mit österreichischer Schriftleitung herauszubringen.

Soweit das Forderungsprogramm des Triester Komitees. Es wird nach allem Gesagten jedem Unvoreingenommenen als gerechtfertigt und für Oesterreich sowie aber auch für Triest dringlich erscheinen. Es wird aus dem Gedanken heraus erhoben, daß Oesterreich und seine verantwortlichen Menschen der Gegenwart davor bewahrt bleiben mögen, daß man ihnen einmal . in Zukunft den Vorwurf machen könnte, man habe in entscheidender Stunde, als es sich darum handelte, Position für dieses Schicksalsgebiet in der Triester Frage zu beziehen, versagt. Wahrlich, es könnte für alle Zukunft Entscheidendes versäumt worden sein!

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