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Auf Rilkes Spuren

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„Triest ist eine Stadt, die italienisch fühlt, aber europäisch ist und lebt. Wir sind dabei, zu erkennen, daß diese Aussage nicht ein Entweder - Oder, sondern nur ein Sowohl-Als-auch bedeuten kann.“

Auf diese kurze Formel brachte der außenpolitische Redakteur der traditionellen Triester Tageszeitung „II Piccolo“, Nordio, die gegenwärtige Problematik der Hafenstadt Triest. Gesagt wurden diese Worte bei einer Begegnung der Teilnehmer der FURCHE- Leserreise (30. April bis 3. Mai nach Friaul und Triest) mit dem Club der Österreicher in Triest im Circolo di cul- tura italo-austriaco.

Der Circolo hat sich die Vermittlung und Pflege österreichischer Kultur in Triest zum Ziel gesetzt und veranstaltet Dichterlesungen, Vorträge, Konzerte und Ausstellungen. Im Maria-There- sien-Jahr 1980 etwa war der Circolo gemeinsam mit dem Städtischen Museum Träger einer großen Maria-The- resien-Ausstellung.

Dies alles wird ehrenamtlich geleistet und die leise Klage über die geringe Unterstützung durch die österreichische Regierung war nicht zu überhören. Für Österreich ist Triest nicht nur dominanter Seehafen, der auch Anfangspunkt der Ölleitung zu Österreichs Raffinerien ist, sondern für uns ist Triest vor allem in der Erinnerung an ein größeres Österreich lebendig.

Maria Theresia hat Triest groß gemacht, und bis zum Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie hat dieser Hafen auch sehr gut floriert. Schon in der Zwischenkriegszeit aber litt Triest unter der Aufteilung des einstigen Hinterlandes, das heute auch noch durch die politische Teilung in Ost und West den Hafen Triest nicht im gewünschten Maß in Anspruch nimmt.

Das tut übrigens auch Italien nicht: dieses zieht andere Häfen vor, 90 Prozent des Warenverkehrs in Triest sind für den Export bestimmt.

Die schlechte Behandlung Triests hat schließlich dazu geführt, daß sich eine eigene „Lista per Trieste“ gebildet hat, die die Mehrheit in der Stadtregierung stellt. Mario Dolcher, Stadtrat für Kultur in Triest, der gleichfalls an der eingangs erwähnten Begegnung teilnahm, kommt aus dem katholischen Lager, andere Mitglieder der „Lista“ kommen aus linken Kreisen.

Ein unvergeßliches Erlebnis des Abends am Circolo, der von dessen Vizepräsidenten Siegfried Seemann geleitet wurde, war die Begegnung mit dem heute 91jährigen Baron de Banfield, einem der letzten noch lebenden Träger des Maria-Theresien-Ritterordens. Aus einer alten Offiziersfamilie stammend, hatte er sich als Marineoffizier bereits vor dem Ersten Weltkrieg lebhaft für die Fliegerausbildung interessiert und wurde für seine wagemutigen Einsätze noch im August 1916 von Kaiser Franz Josef I. persönlich ausgezeichnet.

Eindrücke ganz anderer Art gewannen wir in Duino als Gäste des Fürsten Raimondo von Thurn und Taxis. Das Schloß, inmitten eines wunderbar angelegten Parks am steilabfallenden Felsen über dem Meer gelegen, nahm seinen Anfang als Wehrturm in der Zeit des Kaisers Diokletian - Sinnbild für die Bedeutung des gesamten Raumes als Einfalls- und Ausfallspforte von Italien nach Slowenien und weiter nach Österreich und zum Balkan.

Diese Bedeutung des Raumes von Triest und Friaul wird auch in Aquilea, dem alten römischen Seehafen und späteren jahrhundertelangen Sitz der Patriarchen, oder in Cividale, der Langobardenstadt, und nicht zuletzt in der Erinnerung an die furchtbaren Kämpfe zwischen Österreich und Italien während des Ersten Weltkriegs spürbar.

Heute stellt Fürst Raimondo Duino das Schloß, das durch die „Duineser Elegien“ Rilkes wohl seine größte Bekanntheit erlangt hat, in den Dienst der kulturellen Begegnung. So fand in Duino schon vor Jahren erstmals ein Treffen von Rektoren europäischer Hochschulen aus Ost und West statt.

Zwei Leben auch in dieser Landschaft.

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