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Österreichs Hafensorgen

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Fünf Jahre sind verstrichen, seitdem im Friedensvertag mit Italien die Internationali-sierung des Trjcster Verkehrs und damit d i e Beteiligung Oesterreichs an ihm vereinbart wurde, ohne daß bisher auch nur ein Versuch unternommen wurde, diese Frage — eine österreichische Lebensfrage — ihrer Verwirklichung zuzuführen. In letzter Zeit hat sich der Triester Außenhandel wesentlich zuungunsten Triests verändert. Nachdem das österreichische Exportvolumen bereits im Jahre 1952 einen Rückgang aufzuweisen hatte, ist der Triester Transitverkehr auch in den ersten fünf Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjähr beträchtlich zurückgegangen. In der Einfuhr wurden 683.000 Tonnen registriert gegen 944.000 Tonnen in den ersten fünf Monaten des vergangenen Jahres und. in der Ausfuhr 244.000 Tonnen gegen 280.000 Tonnen

Um dem internationalen Handel, insbeson-

dere aber Oesterreich, die Benützung des Triester Hafens zu sichern, wurde als Ersatz der im Staatsvertrag von St. Germain enthaltenen Bestimmungen ein eigenes Statut über ein internationales Regime dem Friedensvertrag mit Italien einverleibt. Nach diesem Statut soll für den Triester Freihafen ein öffentliches Unternehmen gebildet und als solches verwaltet werden. Art. 21 des Statuts sieht die Einsetzung einer internationalen Freihafen-Kommission vor, die sich aus Vertretern aller beteiligten. Staaten, also auch Oesterreich, zusammensetzt. Nach den Bestimmungen des Statuts kann aber alles das erst durch Beschluß des Sicherheitsrates der UNO in Kraft gesetzt werden und setzt die Ernennung eines Gouverneurs voraus. Bisher ist diese Ernennung nicht erfolgt, da sich die Großmächte über die Person des Gouverneurs nicht einigen konnten. Es blieb daher die Militärverwal-

tung in der Zone A des Freistaates fortbestehen, während die Zone B des Freistaates von Jugoslawien besetzt bleibt. Während die Westmächte, insbesondere England, es nicht an Bemühungen fehlen lassen, ungeachtet des Widerstandes Jugoslawiens, die auf eine völlige Rückstellung Triests abzielenden Bestrebungen Italiens zu unterstützen, ist Oesterreich bisher nicht in die Lage gekommen, sein Interesse an der Durchführung des Friedensvertrages mit Italien vom 18. September 1947 zu bekräftigen. In ausländischen Zeitungen wurde vielfach die Verwunderung darüber ausgesprochen, daß die Westmächte Oesterreich bisher überhaupt nicht zur Mitwirkung an der Lösung der Triester Frage herangezogen haben. „Es ist ein merkwürdiger und bedauerlicher Aspekt der gegenwärtigen internationalen Lage, daß bei den Besprechungen über den zukünftigen politischen Status Triests nicht ein einziges Wort darüber gesagt wurde, daß Triests Schicksal wirtschaftlich besonders mit Oesterreich verbunden ist.“ Mit diesen Worten hat die Londoner „Times“ anläßlich des Wiener Besuches des britischen Außenministers darauf hingewiesen, daß die Triester Frage immer nur im Hinblick auf die rivalisierenden Tendenzen Italiens und Jugoslawiens behandelt wird, für welche diese Fragen gar nicht lebenswichtig seien, während seine Funktion als natürliches Ausfalltor der Donaubecken-Staaten, und vor allem Oesterreichs, in die große Welt vollkommen beiseite gelassen werde. Auch der jugoslawische Außenminister P o p o v i c hat vor kurzem erklärt, er sehe keinen Grund, warum die wirtschaftlichen Interessen des österreichischen Hinterlandes bei einer Lösung des Triester Problems nicht berücksichtigt werden sollten. Es sei nicht ausgeschlossen, daß er in Wien mit der österreichischen Regierung über Triest sprechen werde.

Angesichts dieser Entwicklung der Triester Frage begegnete ein Besuch prominenter Persönlichkeiten des Triester Verkehrs bei der letzten Wiener Messe besonderem Interesse. Die Aufgabe der Triester Delegation bestand darin, in einem Ideen-Austausch mit Exponenten der österreichischen Wirtschaft, deren Wünsche und Beschwerden festzustellen. Der österreichische Verfrachter vermißt derzeit eine rationelle Durchführung des Freihafenprinzips und leidet durch die übermäßige Komplikation von Zollformalitäten, die mit dem Prinzip des Freihafens vielfach völlig unvereinbar sind und neben den Bahnfrachten sowie den Hafengebühren eine ziemlich wichtige Rolle bei der Wahl des Verschiffungshafens spielen. Auf diesem Gebiete sind die konkurrierenden. Nordseehäfen wesentlich kulanter als Triest. So werden zum Beispiel in Hamburg Lagergelder erst nach 30 Tagen berechnet, während Triest bereits nach wenigen Tagen Gebühren in Abrechnung bringt. Einer der Teilnehmer der Delegation, Dr. Bernard i, Generaldirektor der Magazzini Generali, verwies auf die folgenschwere Entwicklung, die sich daraus ergeben könnte, wenn sich durch den Ausfall eines größeren Teiles des heutigen über Triest gehenden österreichischen Verkehrs zwangsläufig die Abfahrten aus unserem Hafen nach gewissen Relationen verringern würden, wenn sich also für jene Teile der

österreichischen Exportindustrie, die im südlichen Oesterreich zu FÄuse sind und daher selbstverständlich nach Triest gravitieren, die Notwendigkeit ergäbe, mit ihren Verschiffungen andere Wege zu gehen.

Generaldirektor der Wiener Bundeshandelskammer Dr. K o r i n e k wies insbesondere auf den sogenannten „A d r i a - T a r i f“ hin, der nach seiner Ansicht den bisherigen Gepflogenheiten widerspreche. Gerade Triest sei zum Unterschied von anderen Häfen ein reiner Transithafen und deshalb auf den Ueberseeverkehr angewiesen. Dr. Korinek bezeichnete es als für Oesterreich nicht verständlich, daß auch im neuen Adria-Tarif die italienischen Transitstrecken bis zu 40 Prozent teurer sind als die Frachtsätze für den Binnenverkehr. Diese Benachteiligung des Transitverkehrs beeinträchtige nicht nur die Konkurrenzfähigkeit Oesterreichs, sie mindere auch die Wettbewerbsposition Triests. Dr. Korinek gab der Triester Wirtschaft den Rat, nichts unversucht zu lassen, um Triest wieder zum Mittelpunkt des Levanteverkehrs zu machen.

Wie übrigens in einer Sitzung der Kammer

zur Förderung des Verkehrs zwischen Triest und Oesterreich mitgeteilt wurde, soll auf den italienischen und jugoslawischen Teilstrecken eine Ermäßigung der Eisenbahnfrachten von und nach Triest in Kraft treten, und zwar von 15 Prozent von und nach Ländern jenseits des Suezkanals und Gibraltars, 7 Vi Prozent nach den Ländern des Mittelmeerbeckens und des Schwarzen Meeres.

Bemerkenswert erscheint es, daß die Delegation, offenbar aus politischen Erwägungen, den Friedensvertrag mit Italien, der auf breiter Basis die Aufgaben des Triester Hafens behandelt, überhaupt nicht in Diskussion zog und auch von einer Fühlungnahme mit dem Oesterreichischen Bundeskanzleramt, dem die Wahrung der österreichischen Interessen in Triest obliegt, Abstand genommen hat. Es ist auch aufgefallen, daß vor kurzem in einzelnen Tageszeitungen Sonderbeilagen zur Triester Frage erschienen sind, in denen jeder Hinweis auf den Friedensvertrag mit Italien fehlte.

Die Behandlung des Triester Problems in Oesterreich wurde bisher dadurch er-

schwert, daß sowohl das Bundeskanzleramt, das Ministerium des Aeußeren und das Bundesministerium für Handel und Verkehr mit der Triester Frage befaßt werden. Während des Bestandes der Oesterreichisch-Ungarischen Monarchie hatte sich eine gemeinsame Stelle für die Behandlung handelspolitischer Fragen als zweckmäßig erwiesen. Seither ist aber in dieser Beziehung eine grundsätzliche Aenderung eingetreten, obwohl alle Voraussetzungen für eine einheitliche Behandlung der handelspolitischen Fragen gegeben wären, wie dies in fast allen Staaten der Fall ist. So sind zum Beispiel im Deutschen Reich die politischen sowie die handelspolitischen Angelegenheiten im Bundeskanzleramt vereinigt. Die zukünftige Behandlung der Triester Frage würde daher wesentlich davon abhängen, daß die Voraussetzungen für eine einheitliche Behandlung handelspolitischer Fragen geschaffen werden. Die Bestrebungen Oesterreichs* müssen auf eine baldige Durchführung des Friedensvertrages mit Italien gerichtet sein, da Triest infolge seiner geographischen Lage der gegebene Hafen Oesterreichs ist.

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