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Randhemerkungen zur woche

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IN EINER OFFIZIÖSEN NOTIZ, die der Pressedienst des VP-Geneialsekietariates aussendet, werden Erörterungen über die Persönlichkeit eines Nachfolgers des gegenwärtigen Unterrichtsministers Dr. Kol b als „gegenwärtig inaktuell“ bezeichnet. Diese Versiche-tung ist erfreulich. Unseres Wissens ist übrigens in der Presse nicht von Personenwagen, sondern von grundsätzlichen Feststellungen die Rede gewesen, Feststellungen über die Unvereinbarkeit gewisser hoher Staats- und Parteiämter, die zulolge unzweideutiger Stellungnahme d*.r Bundesparteileitung der VP anläßlich der letzten Regierungsbildung richtunggebend für eine Neubesetzung in der Leitung des Unterrichtsministeriums zu sein bestimmt sind.

EINE FEIER IN SALZBURG anläßlich des zwanzigjährigen Bischofs- und des zehnjährigen Erzbischofsjubiläums des Salzburger Erz-bischofs Dr. Andreas Rohracher verdient in ganz Oesterreich aus zwei Gründen hohe Beachtung. Das Oberhaupt der Salzburger Kirche hat in den Jahren nach 1945 das Augenmerk der gesamten Bevölkerung unseres Landes auf sich gezogen durch seine Initiativen in bezug auf die innenpolitische Befriedung, auf die Linderung verschuldeter und unverschuldeter Not, auf die Betreuung der Volksdeutschen, nicht zuletzt durch seine Förderung des Salzburger Universitätswerkes. Es ist deshalb tief sinnvoll, daß bei dieser Feier Minister Dr. Kolb eine großangelegte Rede hielt, in der er eine eindringliche Kenntnis der staatspolitischen, kulturpolitischen und innerkirchlichen Funktionen des modernen Episkopats bewies und sich aber auch zu jenen Forderungen in Schule, Familie und Einsatz des Christen im öffentlichen Leben bekannte, ohne die eine politische Existenz der verantwortungsbewußten Katholiken heute nicht mehr gedacht werden kann. — Wert und Würde eines österreichischen Bischofsamtes und Wesen und Bedeutung eines Unterrichtsministers im heutigen Oesterreich wurden also gleichermaßen durch diese Kundgebung beleuchtet.

DIE DEBATTE UM TRIEST, seit 1944 im Gange, steuert in diesem Spätherbst einem Höhepunkt zu. Triest wird von vielen internationalen Beobachtern als ein ,neues Danzig“ gewertet, eine Schicksalsstadt also, in der sich ganz große Interessen kreuzen, ein Brennpunkt, an dem über Krieg und Frieden entschieden wird. War es in den ersten Jahren des Kalten Krieges vor allem der Gegensatz zwischen der Sowjetunion, die hier zum Mittelmeer strebte, und den Westmächten, die hier einen wichtigen Nachschubhafen besaßen, so steht heute der Konflikt zwischen Italien und Jugoslawien im Vordergrunde. Es ist mit die Schuld Oesterreichs, daß dieser Konflikt in den Augen der Weltöffentlichkeit diese Zuspitzung und diese eigentümlich einseitige Zuschärlung erfahren konnte. Was haben wir getan, um aller Welt klar zu machen: Hier geht es nicht nur um ein lebenswichtiges österreichisches Interesse, an einem Territorium, das 600 Jähre dem österreichischen Staatsverbande angehört hat, hier geht es nicht nur um einen Freihafen, um die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und Unabhängigkeit Oesterreichs, einen Belang, der, wie 1918 und 1938 gezeigt haben, an sich bereits gemeineuropäische Bedeutung hat, hier geht es um ein Interesse ganz Europas. Triest muß nämlich notwendig zu einem Zankapfel zwischen Jugoslawien und Italien verengt werden, wenn es seine alte, naturgegebene Funktion nicht ausüben kann: Halen, Mittler am Mittelmeer für die mitteleuropäischen Binnenlande, und damit für ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit und politische Freiheit und Lebensfähigkeit zu sein. Der naturgegebene Sachwalter dieser zentraleuropäischen Interessen hätte Oesterreich zu sein. Es berührte deshalb schmerzlich, wenn der gelernte Oesterreicher, gewohnt an Verzichte und Entsagungen, aus den Gazetten erfahren mußte, daß Oesterreich keine politischen Interessen an Triest habe. Eine solche Versicherung scheint auf den ersten Blick eine Freundlichkeit gegenüber Italien zu sein, sie dient in Wirklichkeit aber weder Italien, noch Oesterreich, noch Europa, da sie die Dinge beim alten, also bei der unnatürlichen Verengung auf den italienisch-jugoslawischen Gegensatz beläßt, statt einen Weg in die Freiheit, in die tieferen Möglichkeiten dieses Territoriums für alle Partner und Anrainer zu weisen. Oesterreichs wirtschaltspolitische Anteilnahme am Triester Problem ist eo ipso eine „politische“ Beziehung, die aber, zum Unterschied von so vielen „nationalen“ Interessen dieser und jener Staaten, durchaus entspannend wirken kann, weil sie eben eine Partnerschaft, nicht Gegnerschaft einschließt, Partnerschaft mit Italien, Partnerschaft mit dem Balkan in Europa, dessen Integration nur dann fortschreiten wird, wenn die Herzschlagadern der Wirtschaft und des Verkehrs jenen „kleinen“ Teilhabern voll und ganz offen stehen, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf sie angewiesen sind. Im Falle Triest handelt es sich also nicht um eine un-

befugte Einmischung Oesterreichs in die Konflikte anderer Staaten, sondern um einen Dienst an eben diesen Staaten, den wir dadurch zu erweisen hätten, daß wir ruhig und leidenschaftslos auf die organische Rolle Triests lür die Stabilisierung und Integrierung Mitteleuropas und Oesterreichs hinweisen. Italien nicht zu Leide, Jugoslawien nicht zu Schaden. — Es steht zu hoffen, daß Oesterreich nicht sein letztes Wort in dieser europäischen und österreichischen Angelegenheil gesprochen hat.

DIE SOZIALE INITIATIVE des baskischen Erzbischols von Valencia, Dr. Olaechea, hat noch keine greilbaren Erfolge gezeitigt. Wie erinnerlich, hatte er für die niedrigste spanische Arbeiterlohnklasse einen täglichen Mindestlohn von 50 Peseten (30 S) gelordert. Jetzt, einen Monat nach der Verbreitung des Hirtenbriefes, veröffentlicht das Staatsbulletin die neuen Lohntariie für die Chemische Industrie, eine der bestbezahllen. Die Lohnsätze für Peone (niedrigste Lohnklasse) sind 13, 13.50 und 15 Peseten (7 bis 8 S) Taglohn. Die höchste Lohnkategorie der Angestellten, die „Che/s 1. Klasse“, erhalten 1275, 1350 oder 1400 Peseten Monatsgehalt (700 bis 800 S) je nach der Preiszone. Das heißt, nicht einmal der Angestellte in Chelkategorie bringt es auf den vom Erzbischof errechneten, zum Lebensunterhalt eines Taglöhners niedrigster Kategorie erforderlichen Mindesttaglohn von 50 Peseten! Die Elendslöhne sind zum Beispiel auch daran schuld, daß sich von Jahr zu Jahr immer weniger junge Leute lür den Lehrerberuf entscheiden. Das Anfangsgehalt eines spanischen Junglehrers beträgt 780 Peseten (420 S) pro Monat. Das bedeutet einen Taglohn von 26 Peseten, also die Hälfte des für einen ungelernten Arbeiter lebensnotwendigen Minimums. Das Resultat? 1932 entschieden sich 20.330 junge Spanier für den Lehrerberut; 1949 traten nur noch 7605 in die Lehrerseminare ein; 1950 waren es nur noch 5888. Ueber die Ziffern der letzten Jahre sagt die Statistik nur, sie seien noch niedriger. Und das bei einem Volk von 27 Millionen Einwohnern. In einer Rede vor dem .Instituto de Ingenieros Civiles de Espana“ im vergangenen Monat kündigte Sr. Suances an, daß das Programm der Hebung des Lebensstandards und der sozialen Sicherheit in Spanien in zehn Jahren verwirklicht sein werde. Der Präsident des Industrieinstituts vertraut daraut, daß das spanische Volk all die hochgesteckten Ziele der Regierung und der Fachministerien in die Tat umsetzen können wird. Ob der Arbeiter mit knurrendem Magen und elend dahinvegetierender Familie, ob Arbeiter und Kleinbauern, die, wenn sie nicht Analphabeten sind, dennoch nicht über das geringste geistige Rüstzeug vertagen, wissenschaftlich perfekte Rationalisierungspläne auch wirksam in der Praxis der Kleinarbeit anzuwenden, geschweige denn ihre Notwendigkeit zu' verstehen; ob Chefs, die sich in betriebs- und berufsfremden Nebenbeschäftigungen aufreiben, das geeignete menschliche Rohmaterial für solche Modernisierungspläne sind, möchte man bezweifeln. Siebzig Jahre Stillstand und Rückschritt zwischen 1808 und 1874, 1931 und 1938, die Raiael Calvo Serer in einem kürzlich erschienenen Leitartikel im .ABC“ errechnet hat, sind eine schwere Belastung, und die „authentische Rekonstruktion des nationalen Gelüges“ eine Angelegenheit, in der man sich auf gefährliche Experimente mit der Ausdauer von Menschen nicht einlassen sollte.

Disnst wiederaufgenommen und mit dem wichtigen Posten betraut, der die Beziehungen zu den Angelsachsen, zu Frankreich und zu Italien überwachte. Anfangs war er davon überzeugt, seine katholischen und nationalen Gefühle mit loyaler Haltung gegenüber dem nunmehrigen Regime vereinbaren zu können. Er vermittelte öfter zwischen Mitgliedern des Episkopats und leitenden Persönlichkeiten des Staats; er war bei den westlichen Botschaftern wohlgelitten. Mehrere Bischöfe, darunter der verstorbene Primas Kardinal Hlond und der kürzlich verurteilte Oberhirt von Kielce, Kaczmarek, zogen ihn zu Rate. Bei seinen Dienstreisen, vornehmlich nach Frankreich — woher seine Gattin stammt —,

wurde er über die Verhältnisse in der Heimat befragt. Er behielt Kontakt mit der polnischen Emigration, anfangs wieder im Geiste einer Versöhnung der Gegensätze. Chromecki geriet erst dann in Zwiespalt, als sich die Dinge in Polen im Sinne einer raschen Bol-schewisierung entwickelten. Nun wurde er zum Tarnen seiner Ablehnung dieses Kurses gezwungen. Das Spiel konnte aber nicht endlos fortgesetzt werden. Chromecki wurde zunächst aus dem Ministerium entfernt und auf einen geringeren Posten in einem außenpolitischen Institut abgeschoben, dann auch dort kaltgestellt und schließlich verhaftet. Er harrt jetzt seines Prozesses und der sicheren schweren Strafe.

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