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Triest der Hafen des Donauraumes

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Die wahre Geburtsstunde des Hafens schlug an dem Tage, an dem Karl VI. Triest im Jahre 1719 zum Freihafen erklärte und die Mittelmeerpolitik seiner Staaten auf diesen „punto franco“ basierte. Seither erfuhren die Verbindungen dieses Handelsemporiums mit dem Donauraum einen ständigen Ausbau, durch ein für die damaligen Verhältnisse ausgezeichnetes Straßennetz und später durch Eisenbahnen, deren Vollendung Triest zum ersten Handelshafen der österreichischungarischen Monarchie machte. Darüber hinaus war seinem Einzugsraum durch die Tauernbahn auch Süddeutschland und das Rheintal angeschlossen. So kam es, daß Triest im Jahre 1913 einen Gesamtumschlag von .6,2 Millionen Tonnen hatte, wovon 3,5 auf den Seeverkehr und 2,7 auf den Bahnverkehr entfielen.

Leider zerrissen die dem Weltkrieg von 1914/18 folgenden Grenzziehungen diese Verbindungen, und es gelang Italien in der Nachkriegszeit trotz aller Bemühungen nicht, für Triest eine entsprechende Ali* mentierung zu schaffen Es belief sieh der Gesamtumschlag des Jahres 1923 nur auf

zirka 4 Millionen Tonnen, die mit etwa 2 Millionen auf den Seeverkehr und ebensoviel auf den Landverkehr sich verteilten. 1937 war eine gewisse Steigerung zu verzeichnen: zirka 5,4 Millionen Tonnen Gesamtverkehr, davon 3,2 Millionen Tonnen See- und 2,2 Millionen Tonnen Landverkehr. Den Hauptländern nach gliederte sich 1937 der Bahnverkehr:

Österreich...... 762.003 Tonnen

Italien ........ 554.748

Tschechoslowakei . . 435.822 „

Ungarn........ 170.443

Jugoslawien ..... 124.700 „

Deutschland...... 96.899 „

Vom italienischen Verkehr entfiel aber ein Großteil auf Kohlenlieferungen und Transporte von Hülsenfrüchten aus Rumänien, die zukünftigen Kriegsbedarf darstellten. Italien allein hätte ohne diesen zusätzlichen Ausnahmsverkehr nur zirka 200.000 Tonnen beansprucht. Daraus ergibt sich, daß die Hafenanlagen zu allererst von Österreich benutzt werden und kein einziger der Teilnehmer am Verkehr für sich allein imstande ist, sie auch nur halbwegs

auszunützen. Für Italien Tiegt Triest gec*' graphisdi ungünstig. Von jugoslawischen? Gebieten ist nur Slowenien an ihm interessiert, denn Kroatien hat durch seine Bahn-Verbindungen bessereit Anschluß in Fiume und die übrigen Provinzen gravitieren nach den dalmatinischen Häfen befciehungswcisfc: nach Saloniki. Es ist also klar, daß für Triest auch nach dem zweiten Weltkrieg, unbeschadet seiner staatlichen Zuteilung, die Notwendigkeit besteht, so rasch als möglich seine Beziehungen zum“ Donauraum wiederherzustellen und zu verstärken. Ob dazu, wie in einer Denkschrift des österreichischen Befreiungskommitees Triest* vorgeschlagen wird der Bau einer doppcl-gcleisigen elektrischen Bahn über den Predil mit der Streckenführung Triest— Monf alcone—Cormons—Ci vidale —Creda — Tarvis und einer Anschlußbahn Creda— S. Lucia an die Wodieinerbahn vordringlich ist, bleibe dahingestellt. Dringender erscheint es, dem Hafen die Ausnützung der bestehenden, durch die Grenzziehung allerdings vielfach zerschnittenen Verbindungslinien zu sichern.

Fünf Vorschläge

Auch mit diesen Fragen haben sich die Fachleute bereits befaßt und in einem engen Kreis, der der Donau-Save-Adria-Eiscn-bahngesellschaft nahesteht, eine Reihe von Möglichkeiten erörtert, die diesem Ziele dienen könnten. Von den fünf Lösungen, die dort vorgeschlagen wurden, können zwei, so einfach sie auch auf den ersten Blick erscheinen mögen, wegen der enormen Schwierigkeiten, die sich ihrer Verwirklichung tatsächlich entgegenstellen, von vornherein ausgeschlossen werden. Es sind dies: die Schaffung eines österreichisehen Korridors bis Triest, der mindestens eine Bahnlinie —' offenbar die Wodieinerbahn — zur Gänze einschließen müßte, oder die Internationalisic-rung einer der Triest mit seinem Hinterlande verbindenden Eisenbahnlinien. Die erste Lösung hätte weitgehende politische Grenzverschiebungen zur Voraussetzung, für die gewiß bei den maßgebenden Faktoren keinerlei Neigung vorhanden ist. Die zweite würde einen sehr komplizierten und daher schwerfällig arbeitenden Verwaltungsapparat erfordern, der eine Unmenge von tarifarischen Fragen und solchen tedinisdier Natur zu lösen haben und große Nachteile für alle jene Orte mit sich bringen würde, die nicht an der internationalisierten Linie liegen. Vor allem aber entstünde das Problem, woher das für die Schaffung des internationalisierten Betriebes erforderliche Kapitel fließen soll. Erfolgversprechender erscheinen jene Vorschläge, die eine „Adriagemeinschaft der den Seehafenverkehr mit Triest bedienenden Eisenbahnen“ oder eine Mitbenützung der auf nichtösterreichischem Gebiet nach Triest führenden Eisenbahnstrecken durch die österreidiischen Staatseisanbahnen oder schließlich eine kommerzielle Peage durch die österreichischen Staatseisenbahnen vorsehen.**

Eine Adriagemeinschaft der am Seehafenverkehr mit Triest beteiligten Eisenbahnen käme in die Lage, eine einheitliche Gütereinteilung, Güterbezeichnung und ein einheitliches Bareme mit Normal- und Ausnahmetarifen in Tarifziffern (Goldtarif) aufzustellen. Ihr wäre es auch möglich, für einen einfadien Abredinungsmodus die rascheste Beförderung der Transporte und die Beseitigung aller Durchfuhrzollgebühren und Formalitäten zu sorgen. Das Sekretariat dieser Gemeinschaft könnte die Donau-Save - Adria - Eisenbahngesellschaft stellen. Die einzelnen interessierten Bahnverwaltungen wären durdi Delegierte vertreten.

Große Vorteile würde auch die Lösungsform der Peagierung der auf außerösterreichischem Gebiet liegenden dem Verkehr mit Triest dienenden Eisenbahnen durch die österreichischen Staatseisenbahnen bringen. Die dafür zu leistenden Entschädigungen müßten nur derart niedrig bemessen sein, daß den österreichischen Staatseisenbahnen genug Freizügigkeit in der Tarifgestaltung gewährt bleibt. Die Schwierigkeiten des Zollverfahrens könnten durch Plombierung

* Triest als Hafen Österreichs und des Donau-raumes. Herausgegeben vom österreichischen Befreiungskomitee. Triest, 1945.

** Neuaufbau der Grundlagen für den Seehafenverkehr mit Triest. Manuskript der Donau-Save-Adria-Eisenbahngesellschaft. Wien, 1945.

der Waggon, die nur Guter von r nach

Triest enthalten vermindert werden. Solche Peageverträge für die Mitbenützung fremder Eisenbahnstrecken sind nichts Seltenes und haben auch auf österreichischem Gebiet zahlreidie Vorläufer.

Eine kommerzielle Peage würde bedeuten, daß die österreichischen Staataeisen-bahnen das Recht der Tariferstellung auf den auf außerösterreichischem Gebiet liegenden Eiscnbihnstrcskcn im österreidiischen Seehafchverkehr mit Triest bekämen. Eine soldie bestand in der Zeit nadi dem ersten Weltkrieg bis zur Übernahme der österreichischen Südbahnlinicn in den Staatsbetrieb für die Strecke

Brenner—IftniAen, aber mir für den

Güterverkehr. Dadurdi, daß die Südbahngesellschaft ihre Tarife über die im Betrieb der italienischen Staatsbahnen stehende Strecke Brenner—“Innidien durdirechnen konnte, wurden Nord- und Osttirol einander eisenbahntarifarisch nähergebracht. Ähnliches geschähe im Falle Triest.

Neben der Verwirklichung des einen oder anderen der angeführten Vorschläge, könnte auch an die Reaktivierung von Organisationen gedacht werden, die bis 1938 im Zusammenhang mit' den Tnester - Fragen sehr gute Leistungen vollbracht' haben. Es gehört dazu das Österreirtiisch-Ttaliem'sdie Komitee für den Hafen Triest (Triester

Hafenkömite) nd die „Adria-Tran-

portkonferenz“. Beid*; boten Gelegenheit zu fruditbaren Aussprachen und zum Austausch von Anregungen und Erfahrungen zwischen wirtschaftlichen und staatlichen Fachleuten über anfallende Probleme.

Welcher Spruch auch über d;e territoriale Zugehörigkeit der Stadt Tnest gefällt wird, leben kann sie nur, wenn ihr Hafen sie ernährt. Die von altersher auf ihn gewiesenen mitteleuropäischen Länder können ihn als kommerzielles Ausfall- und Einiuhr-tor nicht missen. Daher ist es für Triest und für österreidi. die Tschechoslowakei und Ungarn unerläßlich alle entgegenstehenden Hindernisse wegzuräumen.

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