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Verständnis für Slowenen

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Seit fast zwei Monaten ist in Triest die Krise der Landes- r regierung der autonomen Region Friaul-Julisch-Venetien beendet. Neuer Vorsitzender der Landesregierung ist der Christ- demokrat Antonio Comelli, Landtagsvorsitzender erstmals der į Sozialist Arnaldo Pittoni.-

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Seit fast zwei Monaten ist in Triest die Krise der Landes- r regierung der autonomen Region Friaul-Julisch-Venetien beendet. Neuer Vorsitzender der Landesregierung ist der Christ- demokrat Antonio Comelli, Landtagsvorsitzender erstmals der į Sozialist Arnaldo Pittoni.-

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In der programmatischen Erklärung der neuen Triester Landesregierung wird die Verpflichtung zur Förderung der regionalen Autonomie, besonders auf dem Gebiet der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen, der regionalen Raumordnung und des Wohnungsausbaues, betont.

Auf die slowenische Volksgruppe bezieht sich in dieser Erklärung ein Absatz, in dem sich die Landesregierung verpflichtet, sich im Geiste eines wirksamen Schutzes ethnischer und kultureller Merkmale der slowenischen Volksgruppe bei allen gesetzgebenden und Verwaltungsgremien auf der staatlichen, regionalen und lokalen Ebene für ein globales Minderheitenschutzgesetz einzusetzen.

In den slowenischen Kreisen der Region und ,im benachbarten Slowenien wurde die Formulierung „in ganz Friaul-Julisch-Venetien” mit besonderer Genugtuung zur Kenntnis genommen, denn bisher hatte man es vermieden, die Existenz einer slowenischen Volksgruppe, außer den Provinzen Triest und Görz, auch in der Provinz Udine (Benečja Slovenska und Kanaltal) anzuerkennen. Diese slowenische Volksgruppe gehört schon seit 1866 zu Italien und genießt bis heute keinen Minderheitenschutz. Sie hat nur italienische Schulen zur Verfügung.

Daß die Verständigung zwischen den Italienern und den Slowenen in Julisch-Venetien (dem ehemaligen Kronland Küstenland) erst jetzt, in den siebziger Jahren Platz greift, ist auf die komplizierten italienisch-jugoslawischen Beziehungen zurückzuführen. Nach dem Ersten Weltkrieg, als das ganze Küstenland an Italien kam, wo bald danach der Faschismus siegte, waren die Slowenen im Lande der Ausrottung nahe, was unter ihnen einen sehr massiven Widerstand gegen Italien hervorrief.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen der größte Teil des Küstenlandes und ganz Istrien an Jugoslawien, die im Jahre 1947 fixierte italienisch-jugoslawische Grenze und die Auflösung des Freien Territoriums Triest hinterließen 1954 Triest und seine nunmehr sehr reduzierte

Umgebung in wirtschaftlicher und und staatspolitischer Randlage.

Infolge der ungünstigen jugoslawischen Verhältnisse während der Nachkriegsjahre zog der größte Teil der bodenständigen italienischen Bevölkerung aus Istrien und Dalmatien nach Italien und erfüllte vor allem die Triester Atmosphäre mii ihrem Heimweh.

Bei dieser allgemeinen Stimmung wurden die Slowenen in und um Triest, obwohl bodenständig, als ein Fremdkörper angesehen, die Assimilation wurde gefördert, italienische Siedlungen wurden im slowenischen Gebiet gebaut, die Sprachrechte der Minderheit beschnitten. Überdies hat das Parlament in Rom das Londoner Abkommen über die Teilung des Freien Territoriums Triest zwischen Italien (Zone A mit Triest) und Jugoslawien (Zone B mit Koper/Ca- podistria) bis heute nicht ratifiziert was sich sehr ungünstig für die Grenzgebiete auswirkt.

Die Isolierung Triests durch die neuen Staatsgrenzen, die politische und kulturelle Randlage führte nach den sechziger Jahren dazu, daß die lokalen Behörden allmählich die Anwesenheit der slowenischen Volksgruppe und ihre Kultur anerkann ten und den Gebrauch der slowenischen Sprache zuließen

Da sich die Beziefhungien zwischen Italien und Jugoslawien wegen der unlängst seitens der römischen Regierung al?gestriį#t«neAx„de-jure”-Zu- gehörigkert aer’Zone B zu Jugoslawien verschärft’hatten, äußerte die neue Landesregierung in Triest den Wunsch nach möglichst baldiger und vollkommener Normalisierung, nach einem friedlichen Zusammenleben und nach Zusammenarbeit an der Grenze.

Die autonome Region Friaul-Julisch-Venetien sorgt nunmehr auch für die Pflege der slowenischen Kultur im Lande. Triest ist heute neben Laibach das bedeutendste slowenische Kulturzentrum überhaupt. Hier leben die wichtigsten slowenischen Schriftsteller, Maler und nicht wenige Komponisten. Dem angesehenen slowenischen Theater in Triest (gegründet 1905) wurde seitens der Gemeinde, der Provinz und des Landes regionale Bedeutung zuerkannt.

Der spezifische Charakter der Stadt Triest, wo sich zwei Nationen, zwei Sprachen und zwei Kulturen, die slowenische und die italienische, begegnen, kommt immer deutlicher zum Ausdruck, seit man sich ernstlich dafür einsetzt, die in der Vergangenheit aufgestauten Gefühle abzubauen. Triest hat somit im italienischen Raum für die Beziehungen zwischen dem europäischen Osten und dem Westen eine neue wichtige Mission.

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