6840898-1975_43_07.jpg
Digital In Arbeit

Kultur als Politik

Werbung
Werbung
Werbung

Daß Volksgruppen, die außerhalb ihres Mutterlandes leben, auch ihre ganz spezielle Eigenkultur entwik-keln, ist keine Neuigkeit.

Es ist jedoch etwas Neues, wenn diese Volksgruppen eine kulturelle Tätigkeit entfalten, die im gesamtnationalen kulturellen Schaffen einen namhaften Platz findet. Dies ist .im nordadriatischen Raum, im Kusfetiland und in Istrien der Fall, i wö ' Sie “staatlichen und nationalen* Grenzen seit Jahrhunderten schwanken und wo sich die geschäftlichen und kulturellen Strömungen mehr als anderswo überlagern.

So verfügt in der jugoslawischen Hafenstadt Rijeka-Fiume die italienische Volksgruppe über ihr eigenes Tagblatt „La Voce del Popolo“, über eine illustrierte Zeitschrift mit dem Titel „Panorama“ und über eine literarische Zeitschrift namens „La Battaglia“. Es gibt ferner in Rijeka neben dem kroatischen auch ein italienisches Theater, so daß die Stadt sowohl in der kroatischen als auch in der italienischen Öffentlichkeit zum Begriff wurde.

In Koper-Capodistria hinwiederum läuft schon seit dem Jahr 1970 ein italienisches Fernsehprogramm in Farbe, drei Stunden lang an jedem Abend. Da das italienische Fernsehen noch kein Programm in Farbe produziert, wirken die Sendungen von Köper über Spezialantennen bis weit nach Italien hinein, bis Bologna und bis in die Po-Ebene. Es heißt, daß die Produktionskosten des Fernsehprogramms von Köper allein durch Beiträge der norditalienischen Firmen für ihre Werbesendungen in diesem Programm gedeckt werden.

In Triest gibt es über den Sender „Trst A“ ein slowenisches Radioprogramm mit einer Sendezeit von über 80 Stunden in der Woche. Im Frühjahr 1975 verabschiedete das römische Parlament zudem ein neues Gesetz betreffend Rundfunk und Fernsehen, das der nationalen Radio- und Fernsehgesellschaft neben dem schon bestehenden Fernsehprogramm in deutscher Sprache für Südtirol auch ein französisches für das Aostatal und ein slowenisches für Julisch-Venetien-Küstenland aufträgt.

Slowenische Fernsehsendungen werden in Triest schon für Jänner des nächsten Jahres erwartet. Es wird aber befürchtet, daß diese, besonders die Nachrichten, in den zentralen Studios von Rom redigiert werden könnten, ähnlich wie bisher die Sendungen in deutscher Sprache für Südtirol, so daß die regionalen politischen und kulturellen Faktoren von wesentlichen Entscheidungen

über die Struktur der Programme abgeschnitten wären.

Die Vertreter der slowenischen Volksgruppe führen daher einen entschlossenen Kampf um eine gerechte Beteiligung bei der Gestaltung des künftigen slowenischen Fernsehprogramms in Italien und um eine entsprechende technische Ausrüstung des Triester Fernsehstudios, damit die Programme in Triest selbst redigiert werden können.

Offen ist jedoch die Frage, was für einen Umfang diese Programme einnehmen sollen, ob also lediglich ein örtlicher Nachrichtendienst oder ob auch allgemeine Kultur, und Sportprogramme geplant sind. Die römische Direktion der italienischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft „RAI“ wird da anfangs sicherlich viele Hindernisse technischer und finanzieller Art vorschützen.

Für die slowenische Volksgruppe in Italien steht derzeit jedoch die staatliche Anerkennung des Slowenischen Theaters in Triest an erster Stelle, denn das zuständige römische Ministerium für Fremdenverkehr sieht sich trotz der Empfehlung des Außenministers — das italienische Außenministerium vertritt bei der Behandlung der slowenischen Minderheit in Italien das Reziprozitätsprinzip, im Vergleich mit der italienischen Minderheit in Jugoslawien — vor unüberbrückbaren formalen Hindernissen, denn das Gesetz über die staatlichen Theater sieht, wie im Falle Triests, in ein und derselben Stadt zwei staatlich subventionierte Theater nicht vor. Es müßte also für das Slowenische Theater in Triest ein Sondergesetz, ein „Leggino“, verabschiedet werden. Mit der staatlichen Anerkennung wäre die Existenz des Theaters gesichert, da ihm auch die staatlichen Subventionen zustünden;

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung