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Zuerst Internationalisten
Anfang März hielt die „Triester Autonome Föderation der KPI“ ihren Kongreß ab. So heißt nämlich seit 1957 die ehemalige KP des Freien Territoriums Triest (KPFTT). Sie wurde 1962 durch die Aufnahme der Mitglieder der überwiegend slowenischen und jugoslawisch orientierten Unabhängigen . Sozialistischen Union (NSZ-USI), welche von Jugoslawien aufgelöst wurde, beträchtlich verstärkt. Seitdem kommt es in der Triester KPI des öfteren zu harten Auseinandersetzungen. So gab es auch auf dem eben abgeschlossenen Kongreß reichlich freimütige und manchmal sogar erbitterte Diskussionen. Hauptthemen waren der von der römischen kommunistischen Zentrale ausgearbeitete „historische Kompromiß“, welcher den italienischen Kommunisten den Eintritt in die Regierung ermöglichen soll, und die Stellungnahme des Triester kommunistischen Chefs Vidali, die kürzlich in seinen Memoiren auftauchte und der zufolge im Jahre 1945 die jugoslawischen Partisanen Triest besetzt und nicht befreit haben ...
Während sich die Triester Kommunisten in der ersten Frage einigen konnten, was wegen der bisherigen Verteufelung der Christdemokraten jedenfalls nicht sehr leicht war — ließen sie in den lokalnationalen Fragen ihrem Unmut freien Lauf. Die italienischen Mitglieder verteidigten Vidalis Stellungnahme gegenüber ihren slowenischen Genossen hartnäckig. Als besonders verbissen wies sich dabei die Genossin Laura Weiss aus, die das Interesse der jugoslawischen Teilrepublik Slowenien an slowenischen Minderheiten im Ausland als „Nationalismus, gegen den wir gar nicht erst kämpfen“ bezeichnete und die ihre Ausführungen mit dem Aufruf schloß, die Kommunisten sollten zuerst Internationalisten, dann erst Slowenen oder Italiener sein.
Wie dieser „Internationalismus“ in Triest während der Nachkriegsjahre aussah, vermieden sowohl die italienischen als auch die slowenischen Genossen zu erörtern. Nach dem Bruch zwischen Stalin und Tito im Jahre 1948 wurden unter dem Druck der moskautreuen KPFTT rund dreißigtausend kommunistische Slowenen in Triest und Umgebung italienisch assimiliert. Diese Tatsache klang auf dem Kongreß lediglich in unverblümten Äußerungen des kommunistischen Bürgermeisters der benachbarten slowenischen Gemeinde Dohna (San Dorligo della Valle) an. Er gab offen zu: „Die Verurteilung Jugoslawiens wurde von Stalin erzwungen. Persönlich entschied ich mich damals für die Kommform, weil ich der Ansicht war, daß die kommunistischen Parteien der Welt, welche diese Verurteilung unterzeichnet hatten, recht haben müßten und nicht die eine, einzige, jugoslawische. Gewiß, ich stand damals der KP Jugoslawiens sehr nahe. Das Ganze war für uns eine Tragödie, und den höchsten Preis für dieses Spiel haben wir Triester Slowenen bezahlen müssen.“
Es ist verständlich, daß diese freimütige Äußerung im jugoslawischorientierten slowenischen Triester Tagblatt „Primorski Dnevnik“ nicht wiedergegeben wurde. Ebensowenig die antijugosiawischen Stellungnahmen einiger italienischer Kommunisten. Neben Laura Weiss meldete sich nämlich auch der Hafenarbeiter Claudio Tonel zu Wort und polemisierte gegen Boris Race, den Obmann der Slowenischen Kulturökonomischen Union (SKGZ) in Triest, die das „Slowenische Tagblatt“ herausgibt.
Die slowenische Laibacher Presse beschränkte sich in ihren Berichten über den Kongreß auf die formale Feststellung, die Triester Kommunisten seien für den „historischen Kompromiß“ und für einen „globalen Minderheitenschutz“ (eine Art von „Paket“ für die slowenische Minderheit in Italien).
Wie die Rotchinesen anläßlich des beabsichtigten „historischen Kompromisses“ die italienischen Kommunisten bezeichnet haben, berichtete unlängst die Turiner „Stampa“: als „die verlogensten und heimtückischesten von allen“.
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