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Wendung in Triest?

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Die Berliner Außenministerkonferenz hat in der Triester Frage ein wichtiges Ergebnis zutage gefördert Von dem Vertreter der Sowjetunion, Molotow, wurde nämlich die Erklärung abgegeben, daß er den Abschluß des österreichischen Staatsvertrages nicht von der Lösung der Triester Frage abhängig mache, womit diese Frage von der Tagesordnung der Außenministerkonferenz abgesetzt wurde. Der Stellungnahme Molotows kommt eine um so größere Bedeutung zu, .als die Sowjetunion in den letzten Jahren keine Gelegenheit hatte vorübergehen lassen, einen Zusammenhang der Triester Frage mit dem Staatsvertrag festzustellen. In der Berliner Außenministerkonferenz erklärte es Molotow ferner als notwendig, daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien ihre im italienischen Friedensvertrag festgelegten Verpflichtungen hinsichtlich Triest erfüllen.

Angesichts dieser definitiven Stellungnahme der Sowjetregierung stehen die am Triester Verkehr beteiligten Staaten, in erster Linie Oesterreich, vor der Aufgabe, der im Friedensvertrag mit Italien vom 18. September 1947 vorgesehenen Internationalisierung des Triester Hafens näherzutreten. Um dem internationalen Handel die Benützung des Triester Hafens zu sichern, wurde bekanntlich als Ersatz der im Staatsvertrag von Saint-Germain sowie im Akkord von Rom vom 25. März 1923 enthaltenen Bestimmungen im Friedensvertrag mit Italien ein eigenes Statut über ein internationales Regime festgesetzt. Nach diesem Statut soll für den Triester Freihafen ein öffentliches Unternehmen gebildet und als solches verwaltet werden. Artikel 21 des Statuts sieht die Einsetzung einer internationalen Freihafenkommission vor, die sich aus Vertretern aller beteiligten Staaten, also auch Oesterreichs, zusammensetzt. Das Statut bestimmt weiter, daß der Freistaat und die Staaten, die an der internationalen Kommission beteiligt sind, das Notwendige veranlassen werden, um den Transitverkehr in jeder Hinsicht nach Möglichkeit zu beschleunigen und ungestört zu angemessenen Tarifen abzuwickeln. Nach den Bestimmungen des Statuts konnte aber dies alles erst durch Beschluß des Sicherheitsrates der UNO in Kraft treten und setzte die Ernennung eines Gouverneurs voraus. Da West und Ost sich über die Person des Gouverneurs für den neugeschaffenen Freistaat Triest nicht einigen konnten, blieb diese erste und wichtigste Voraussetzung für die Konstituierung und das staatliche Eigenleben des Freistaates bis heute unerfüllt. Die provisorische Regelung nach Kriegsende, wonach die Angloamerikaner Stadt und Hafen Triest und die nördliche Zone A besetzt haben, während die südliche Zone B unter jugoslawischer Verwaltung steht, blieb bis zur Gegenwart aufrecht. Den Vorteil, den Jugoslawien dadurch genießt, daß es seine Zone direkt und allein verwaltet, während in der wichtigsten Zone A die Angloamerikaner die Verantwortung tragen, haben die Italiener im Laufe der letzten Jahre wenigstens teilweise dadurch aufgeholt, daß sie Schritt für Schritt die Verwaltung der Zone übernahmen. Auf diese Weise ist die Zone A eine Art italienische Kolonie geworden, die von einem englischen General regiert wird.

Die Erklärung der USA und Großbritanniens vom 8. Oktober 1953, in der der Abzug der amerikanischen und britischen Truppen aus der Zone A des Freigebietes von Triest und die Uebergabe der Zone in italienische Verwaltung angekündigt wurde, bleibt nach Mitteilung diplomatischer Kreise Washingtons weiterhin aufrecht. Man hegt in diesen Kreisen die Hoffnung, daß sich Jugoslawien und Italien über eine Lösung des Triester Problems einigen werden.

„Vielleicht wäre es in dieser Sackgasse", so schreibt die Züricher „Weltwoche", „nicht unangebracht, auch auf die Stimme des politisch gänzlich uninteressierten, aber wirtschaftlich hauptbeteiligten Dritten, nämlich Oesterreichs, zu hören, dessen Wirtschaftskreise eine echte internationale Lösung anregen.“ Die Entpolitisierung des Triester Problems und seine Lösung nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten liegt sicherlich sowohl im Interesse Triests als seines Hinterlandes. Während die Westmächte, insbesondere England, es nicht an Bemühungen fehlen lassen, ungeachtet des Widerstandes Jugoslawiens, die auf eine völlige Rückstellung Triests abzielenden Bestrebungen Italiens zu unterstützen, ist Oesterreich bisher nicht in die Lage gekommen, sein Interesse an der Durchführung des Friedensvertrages mit Italien vom 18. September 1947 zu bekräftigen.

„Es ist ein merkwürdiger und bedauerlicher Aspekt der gegenwärtigen internationalen Lage, daß bei den Besprechungen über den zukünftigen politischen Status Triests nicht ein einziges Wort darüber gesagt wurde, daß Triests Schicksal besonders mit Oesterreich verbunden ist." Mit diesen Worten hat die Londoner „Times“ vor kurzem darauf hingewiesen, daß die Triester Frage immer nur im Hinblick auf die rivalisierenden Tendenzen Italiens und Jugoslawiens behandelt wird, für welche diese Fragen gar nicht lebenswichtig seien, während seine Funktion als natürliches Ausfallstor der Donaubeckenstaaten und vor allem Oesterreichs in die große Welt vollkommen beiseite gelassen werde. Oesterreich fühlt sich aber der Stadt an der Adria durch geschichtliche Erinnerungen und wirtschaftliche Bande verknüpft. Es besitzt, wie von maßgebender Stelle immer wieder betont wird, keinerlei territoriale Ambitionen in diesem Gebiet, aber es ist stark daran interessiert, daß der Adriahafen aus einem Zankapfel wieder zu einem Begegnungsplatz der Völker, zu einem blühenden Zentrum des Handels und zu einem Tor für den friedlichen Verkehr mit der Welt werde, Triest war nicht nur in der alten Monarchie der wichtigste Hafenplatz für dieses große Hinterland, sondern es hat auch heute noch als Hafen überragende Bedeutung für die Verfrachtung der Exportgüter unseres Landes nach Uebersee, wie auch für die Einfuhr der Roh- und Nährstoffe aus Ueberseeländern.

Infolge der gegenwärtigen Tariflage ist im Jahre 1953 leider ein empfindlicher Rückschlag im Triester Verkehr eingetreten. Der Seeverkehr hat eine Abnahme von 4,6 Millionen Tonnen auf 3,4 Millionen Tonnen erfahren, während der Landverkehr von 2,8 auf 2 Millionen gesunken ist. Der Gesamtverkehr Oesterreichs hat im abgelaufenen Jahre 1,4 Millionen gegen 2,02 Millionen im Jahre 1952 betragen. In den ersten Monaten des Jahres konnte ein weiterer Rückgang festgestellt werden. Diese Entwicklung wird auch auf die Verteuerung des Seeweges Oesterreichs über den Süden zurückgeführt. In dieser Beziehung erscheint von besonderem Interesse die jüngste Erklärung der italienischen Staatsbahnen, in der daran erinnert wird, daß die italienischen Staatsbahnen seinerzeit die Schaffung von Einheitstarifen für die gesamte Strecke Oesterreich—Triest mit durchgerechnetem Bareme vorgeschlagen haben, welcher Vorschlag aber von den Oesterreichi- schen Bundesbahnen abgelehnt wurde.

Triest ist nach wie vor der natürliche Hafen Oesterreichs. Allerdings muß er auch seinen wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechen, insbesondere hinsichtlich der Tarife und der Umschlagspesen.

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