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Das goldene Vlies, Wien 1960

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Leopold Lindtberg und Friedrich Schreyvogl haben für das Burgtheater „Das Goldene Vlies“, dieses „dramatische Gedicht in drei Abteilungen“, für einen Bühnenabend eingerichtet. Im Herbst des Mittelalters hatte'der ritterliche Traum der burgundischen Herzöge das Goldene Vlies berufen, als hehres Emblem einer höfischen Feierwelt. Die Erben des burgundischen Reiches und Reichstraumes, die Kaiser der Casa d'Austria, haben mit ihm das Goldene Vlies geerbt. Es berührt nachdenklich, daß ziemlich genau übereinstimmend mit der neuen Kreation des Goldenen Vlieses im Burg-Theater nicht allzuweit von ihm entfernt, einige adelige Herren vom jetzigen Chef des Hauses Habsburg den Orden des Goldenen Vlieses erhielten. Der zweiundzwanzig-j ährige Grillparzer kennt den Orden des Erz-hauses und die politische Romantik rund um das alte Reich. Er singt in seinem goldenen Vlies, wie eine spanische Romanze, die randvoll von Not und Tod, Treue und Untreue der Frauen und Männer, von Kriegsfahrt und Untergang ist, sein Lied in drei großen Strophen. Wobei besonders die beiden ersten Strophen, „Der Gastfreund“ und „Die Argonauten“, diesen Charakter des Liedes, der Romanze spanischer und eben romantischer Art, besonders deutlich tragen. „Trauerspiel“ im Vollsinn ist erst die „Medea“: der schauererweckende Einbruch der großen „Fremdlingin“, Medeas, in die von Grillparzer hier als milde, maßvolle Menschlichkeit erschaute Griechenwelt. Nun, das Bühnenbild Caspar Nehers schiebt resolut zunächst einmal den ganzen Grillparzer hinweg und'zaubert eine orphisch-orgiastische Vorwelt und Griechenwelt, die hier in einem, in einem Stil und Wesen, zusammen gesehen werden, so daß vom Bühnenbild her der Gegensatz, der Abgrund zwischen Kolchis und Hellas, nicht mehr sichtbar wird, auf die Bühne. Wir sind im Bilde: das heißt, wir erhalten hier Bilder vorgestellt, wie sie seit Bachofen und Nietzsche, seit der Tiefenpsychologie die modernen Antikedramen der Amerikaner und Franzosen brauchen, um die ekstatischen Ausbrüche ihrer Figuren zu, umstehen. Zu diesen sehr hiesigen, heutigen Bildern paßt in der Aufführung die Medea der Heidemarie Hatheyer: eine außerordentliche Leistung, die in der Verbindung von Heimlichem und Unheimlichem, Schaudererregendem und Mitleidweckendem auch Griljparzers Vision entspricht. Hilflos, zu hilflos — dsjs ist nicht ihre Schuld — muß in dieser Umgebung die Kreusa der Sonja Sut-ter wirken; das ist die Griechin, wie sie Grillparzers Zeit und eigene Jugend sahen, liebliche, zarte Humanität, eine Pflanze nahe am Abgrund, der noch nicht gesehen wird. Erfreulich, als Bilder des Mannes und des Jünglings, Heinz Moog als Barbarenkönig Aietes, Wolfgang Stendar als Phryxus. Ein edler Griechenfürst: Paul Hoffmann als Kreon. Erich Auer repräsentiert eindrucksvoll die Würde und Banngewalt des Herolds der Amphiktyonen. Als unheimlich-traurige Begleiterin Medeas trägt die Amme Gora der Dagny Servaes die ganze Hilflosigkeit und Härte ihres Volkes auf die Bühne. Die unselige Gestalt Jasons wird durch Walther Reyer, der mit seiner Rolle und seiner blonden Griechenmaske zu kämpfen hat, nicht vollinhaltlich erfüllt. Der Gesamteindruck: eine eindrucksvolle Aufführung, die von Grillparzer den dramatischen Stoff nützt, auf seine Psychologie verzichtet. Die Kürzung der beiden ersten Teile schadet nicht, im dritten Teil wird einerseits zuviel gekürzt, anderseits manches überdehnt; iwir wissen nicht, wieviel hier dem Regisseur, wieviel dem überlangen Ausspielen der Rolle durch Frau Hatheyer zuzumessen ist. Langer, starker, aufrichtiger Beifall des Publikums.

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