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KARL SCHILLER / KENNEDY-LOOK IN BONN

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Man sagt ihm nach, er entspräche wie kaum ein anderer Politiker der Bundesrepublik dem Typ des „Egghead“, des amerikanischen Intellektuellen mit politischen Ambitionen; Gegner werfen ihm manchmal „Bildungshochmut“ und „profes-sorale Arroganz“ vor; Parteifreunde hat er noch vor einigen Jahren mit seinem Slogan „Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig“ verschreckt; Studenten der Wirtschaftswissenschaft lernen in der ganzen Welt seinen Namen als einen der Hauptvertreter der Richtung, die man „Konkurrenzsozialismus“ nennt, die den Sozialismus mit der freien Marktwirtschaft versöhnt hat: Professor Dr. Karl Schiller, Bundeswirtschaftsminister der Koalitionsregierung Kiesinger-Brandt, ist zweifellos einer der interessantesten und profiliertesten Mitglieder des Bonner Kabinetts.

Den 1911 in Breslau geborenen Karl Schiller, Absolvent einer holsteinischen .Zwergschule“ und eines Kieler Gymnasiums, zog es früh zur Volkswirtschaft und zur Soziologie. Im Elfenbeinturm der Wissenschaft, mit Themen wie „Die Regulierung der niederländischen Schweinewirtschaft“ und „Aufbaupröbleme der türkischen Landwirtschaft“ beschäftigt, überstand er zunächst den Nationalsozialismus. Aber 1941 mußte der junge Privatdozent in Hitlers Krieg.

1945 trat er in die SPD ein und legte der Hansestadt Hamburg einen Plan für den Wiederaufbau der total zerstörten Wirtschaft der Hafenstadt vor, der dem damaligen CDU-Bürgermeister Petersen in einem derartigen Ausmaß an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientiert schien, daß die Vorschläge des Sozialdemokraten Schiller akzeptiert wurden. Als die SPD in Hamburg die Mehrheit erhielt, wurde Schiller Wirtschaftssenator. 1953 verlor die Hamburger SPD ihre Mehrheit, und Schiller kehrte an die Universität der Hansestadt zurück. Acht Jahre blieb er der Wissenschaft treu — bis ihn Willy Brandt als Wirtschaftssenator nach Berlin rief.

Der immer elegante Karl Schiller, der ideologisch das Arrangement der Sozialdemokraten mit Erhards Wirtschaftswunder verkörpert, paßte sehr gut in das Konzept von Brandt, Wehner und Erler, die versuchten, die SPD bei neuen Wähler schichten salonfähig zu machen. Schiller wurde auch in der Bundespolitik immer mehr in den Vordergrund geschoben, er wurde als Mitglied des SPD-Schattenkabinettes „aufgebaut“. 1965 zog er in den Bundestag ein und wurde zu einem der großen Stars der Opposition.

Ende 1966 trat Schiller an die Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums und sitzt seither gemeinsam mit Franz Josef Strauß, dem Finanzminister der Regierung Kiesinger, an den für die kritische Wirtschaftslage der Bundesrepublik entscheidenden Schalthebeln der Regierung. „Die große Koalition ist, zumindest was Wirtschaft und Finanzen betrifft, einfach zum Erfolg verurteilt“, meint selbstsicher Karl Schiller.

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