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Berlins „heißer Sommer“

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Einen „heißen Sommer“ hatten Angehörige und Beobachter der Freien Universität Berlin und ihrer Studenten schon vor Beginn des letzten Semesters prophezeit. Er traf ein, und er geriet heißer, als selbst die Propheten es erwartet haben mochten. Es ist noch nicht Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Studentenunruhen scheinen vorerst vorüber zu sein, aber die Beunruhigung in der Stadt bleibt. Diese Beunruhigung trägt viele Züge. Es ist die Beunruhigung der Berliner Bürger in einem ganz allgemeinen Sinne: West-Berlin konnte der Blockade von 1948 und dem Chruschtschow-Ultimatum von 1958 widerstehen, weil sich alle, die in der westlichen Hälfte der alten deutschen Hauptstadt wohnten, einig waren. Die hoffnungslose Minderheit der Sozialistischen Einheitspartei zählt hier nicht: Sie betreibt ihre Geschäfte im verborgenen, erfolglos und unbeachtet.

Verlorene Einigkeit

Diese Einigkeit ist plötzlich aufgebrochen. Studenten haben gegen das „Establishment“ aufbegehrt — und wer die Ereignisse sorgfältig beobachtet, kann nicht mehr umhin, festzustellen, daß die Studenten nicht allein blieben. Hier erschöpfte sich Opposition einmal nicht im Widerspruch bei Debatten im Abgeordnetenhaus; hier war die Opposition auf der Straße — hartnäckig, trotzig und unübersehbar. Das ist neu in der sonst so verschworenen Gemeinschaft der Westberliner. Aber die Beunruhigung ist nicht nur beim kleinen Bürger festzustellen, Sie regt sich bei den Politikern — nicht nur in Berlin — und in der Presse. Leitartikler und Sprecher dei Parteien widmen der Frage, was die Studenten denn eigentlich wollten Intensives Nachdenken. Anlaß zui Beunruhigung gibt es auch hier: Allein mit der Problematik der Studentenzahlen beschäftigt, hat in der nach den Studenten selbst gefragt Der lautstarke Protest tausender, dei sogar für mehr als eine Woche der Universitätsbetrieb lahmlegte, ha die meisten Außenstehenden überrascht.

Wie es begann

Dabei ist die Trotzhaltung vor Studentensprechern der Freien Universität Berlin keineswegs jüngster Datums. Nachdem Deutschlands Studenten um den Beginn dieses Jahrzehnts allzu derb politischer Inter-essenlosigkeit geziehen worden waren, begann der Streit um studentische Politikextravaganzen - m Berlin vor nunmehr mehr als zwei Jahren. Damals untersagte die Universität den Studenten eine Einladung des Publizisten Erich Kuby, der sich — Jahre zuvor — kritisch gegenüber der Einrichtung der Freien Universität geäußert hatte. Die Studenten protestierten, fanden bald weiteren Anlaß zum Streit und brachten so die Lawine ins Rollen, die jetzt über Berlin hereinbrach. Die Gegenstände studentischer Auseinandersetzungen mit der Universität sind schon beinahe unüberschaubar: Es geht um Hochschulreform und Studienreform, um ein „politisches Mandat“ der Studentenschaften und um das Demonstrationsrecht. Und dieser Sommer brachte nun auch noch den Durchbruch nach außen; die studentische Bewegung verliert sich in unendlich vielen Aktivitäten.

• Der Regierende Bürgermeister, sein Innensenator und der Polizeipräsident sollen zurücktreten;

• die Polizisten sollen Nummern auf der Uniform tragen;

• das Disziplinarrecht an der Universität soll abgeschafft und

• die Deutschlandpolitik soll erneuert werden. Die Studentenschaft verlangt

• größere Rechte innerhalb der Universität und fordert

• die Enteignung des Pressekonizerms von Aval Springer.

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