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Südtiroler Forderungen

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Am 9. April 1954 haben bekanntlich die Abgeordneten Südtirols an den Ministerpräsidenten ein ausführliches Memorandum übergeben, in dem als einer der wichtigsten Punkte die Rückerstattung der von der „Ente di Rinascita Agraria per le tre Venezie“ übernommenen Güter der seinerzeitigen Südtiroler Auswanderer erscheint.

Die Ente di Rinascita Agraria per le tre Venezie wurde am 20. November 1920, also knapp einen Monat nach der endgültigen

Annexion Südtirols an Italien, als Privatgesellschaft gebildet, die unter dem offiziellen Titel der Wiedergutmachung von Kriegsschäden aus dem Weltkriege möglichst viel Privatbesitz in italienische Hände leiten sollte. Schon in dieser ersten Periode ihrer Tätigkeit hat die Körperschaft in der Provinz Bozen systematisch landwirtschaftliche Liegenschaften teils auf privatem, teils im Versteigerungswege erworben und diese Liegenschaften dann ausschließlich an italienische

Pächter weitergegeben. Die Körperschaft wurde mit Dekret vom 7. Jänner 1937, das später in ein Gesetz umgewandelt wurde, mit weitgehenden Rechten ausgestattet, die sogar die Enteignung von Liegenschaften vorsahen, „wenn es annehmbar erschien, daß diese Güter für Zwecke dieser Körperschaft ausgenützt werden konnten“. Bezeichnend war, daß als Berichterstatter für dieses Gesetz im italienischen Senat der Deutschenhasser Senator Tolomei fungierte, der ja bekanntlich auch die Italienisierung der deutschen Familiennamen verlangte. Es durfte daher nicht wundernehmen, daß gerade dieses Gesetz unter den ethnischen Minderheiten größte Bestürzung hervorrief. Gerade dieses Gesetz hat auch nicht wenig zu der Volksabstimmung im Jahre 1939 beigetragen. Am 27. November 1939 wurde dann das Gesetz Nr. 1780 veröffentlicht, auf Grund dessen diese juristische Person in eine nationale Körperschaft umgewandelt und direkt dem Ministerpräsidium selbst unterstellt wurde. Diese nationale Körperschaft wurde mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet und hatte hauptsächlich folgende Zwecke:

a) Bonifizierungsarbeiten aufzunehmen, landwirtschaftlichen Besitz aufzukaufen, und zwar in Form von Kauf, Pacht oder Halbpacht oder auch als Delegierter der Regierung;

b) landwirtschaftliche Liegenschaften zu erwerben, und c) Handels- oder Industrieobjekte sowie Gasthöfe zu erwerben und zu übernehmen.

Mit Hilfe des Dekretes vom 13. November 1939, umgewandelt in das Gesetz vom 23. Dezember 1940, konnte die nationale Körperschaft die meisten Güter von Südtiroler Auswanderern übernehmen. In rund hundert Fällen wurde der Besitz abgelöst und als Eigentümerin dieser Liegenschaften diese nationale Körperschaft eingetragen, ohne daß bis heute auch nur ein Groschen dafür bezahlt wurde und ohne daß eine formale Ueber- gabe stattgefunden hat. Die früheren Eigentümer sind zwar noch im Besitze dieser Güter, aber alle Schritte, um die Wiederherstellung des früheren Besitzstandes zu erreichen, waren bisher erfolglos. Diese nationale Körperschaft hat sich in vier große Gruppen untergeteilt, von denen die größte die Wiederherstellung und Verwaltung der Güter von Fremdsprachigen ist.

Diese Gruppe besitzt heute allein in der Provinz Bozen zirka 600 Liegenschaften, von denen 50 Gasthöfe und Hotels sind, und eine Großindustrie, nämlich das Laaser Marmor-werk. Alle diese Güter wurden auf Grund des seinerzeitigen Abkommens Hitler-Mussolini von der nationalen Körperschaft übernommen und hätten vereinbarungsgemäß sofort wieder veräußert werden sollen, was jedoch nicht geschehen ist. Der Gesamtwert der auf diese Weise von der nationalen Körperschaft zurückbehaltenen Güter beträgt in Südtirol allein rund drei Milliarden Lire. Die landwirtschaftlichen Güter und die Gasthöfe sind (selbstverständlich an Italiener) auf Grund von jährlich kündbaren Verträgen verpachtet. Es ist wohl klar, daß ein Pächter kein Interesse an einer Landwirtschaft hat, wenn er nur einen Pachtvertrag von Jahr zu Jahr als Grundlage seiner Existenz hat und befürchten muß, nicht einmal ernten zu können, was er gesät hat. Die Folge davon ist natürlich, daß die Bewirtschaftung dieser Güter schlecht ist und der Ertrag sich von Jahr zu Jahr verringert. Wer durch die Südtiroler Dörfer einmal mit offenen Augen geht, wird unschwer diese italienisch bewirtschafteten Güter von den anderen unterscheiden können.

Weiter hat die nationale Körperschaft auch einen Marmorbruch in Laas (Vinschgau) in Betrieb, der der Regierung bereits einige hundert Millionen Lire gekostet hat, da die heutige Betriebsführung alles andere als fachgemäß ist. 1952 wurde darüber vom italieni schen Schatzamt eine Untersuchung eingeleitet, ohne daß bis heute ein Resultat erzielt worden wäre. Es genügt anscheinend, wenn über 200 italienische Arbeiter in den Laaser Marmorwerken arbeiten und so eine Sprachinsel im sonst kerndeutschen Vinschgau bilden

Bei den wenigen Verkäufen, die unter dem Druck der Oeffentlichkeit bisher von dieser nationalen Körperschaft getätigt wurden, wurden die Italiener als Käufer bevorzugt, wie auch als Pächter fast ausschließlich Italiener in Frage kommen.

Das heutige demokratische Regime in Italien scheint nunmehr langsam von der bisherigen Tätigkeit der nationalen Körperschaft abzurücken. Es zeigt Neigung, die mehr als gerechten Forderungen der deutschen Senatoren und Abgeordneten zu unterstützen, die in folgenden vier Punkten gipfeln:

1. Alle Liegenschaften, die von der nationalen Körperschaft übernommen wurden, ohne bezahlt zu werden (rund 100), sind unverzüglich an die früheren Eigentümer zurückzustellen.

2. Alle anderen Liegenschaften, die heute der Verwaltung dieser nationalen Körperschaft unterliegen, sind in das Vermögen der Region Südtirol-Trentino zu überführen, die dem Schatzamte die Erwerbungskosten, die seinerzeit bezahlt wurden, rückersetzen muß. Diese Ueberleitung des Besitzes hat auf Grund des Artikels 58 des Statutes der Region Südtirol-Trentino zu erfolgen, der verfügt, daß alle Staatsgüter, die im Bereiche der Region liegen, an die Region überzuleiten sind.

3. Die Region Südtirol-Trentino muß innerhalb eines angemessenen Zeitraumes diese Güter an Private verkaufen, wobei den früheren Eigentümern ein gewisser Vorrang einzuräumen ist.

4. Die aus diesen Käufen sich ergebenden Beträge sind von der Region zur ersten finanziellen und wirtschaftlichen Systemisierung der Rückoptanten zu verwenden, die in Südtirol noch nicht Arbeit und Wohnung gefunden haben.

Durch diese Maßnahmen ergibt sich von selbst dann die Auflösung dieser antideutschen Institution der nationalen Körperschaft.

Daß die Lösung dieser Eigentumsfragen vog ausschlaggebender Bedeutung für die deutsche Bevölkerung Südtirols ist, liegt auf der Hand, und es ist nur zu hoffen, daß die heutige Regierung Scelba, die anscheinend das seinerzeitige Abkommen Gruber-De Gasperi ernster zu nehmen scheint, auch dieses wichtige Problem der Rückerstattung deutschen enteigneten Besitzes in Südtirol in einer für beide Teile zufriedenstellenden Weise lösen wird.

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