"Brauchen's noch ein Sackerl?"

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Billigstimporte von Plastiktaschen aus Asien haben in der europäischen Union eine heftige wirtschaftliche Debatte ausgelöst. Michael Baur von Global 2000 im Gespräch über Konsequenzen in der und Alternativen zur Wegwerfgesellschaft.

Für die einen ist es Gebrauchsgegenstand, für die anderen ein Kult-und Sammelobjekt: das Plastiksackerl. In Österreich wandern jährlich etwa 300 Millionen Stück über den Ladentisch, und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Dennoch eine verschwindend kleine Zahl, vergleicht man sie mit jener im Vereinigten Königreich, wo jährlich acht Milliarden Plastiktaschen verteilt werden. So weit so gut, oder? Nicht ganz. Die Einfuhr von "plastic bags" aus dem asiatischen Raum unter dem heimischen Marktpreis hat jetzt innerhalb der europäischen Union eine heftige Debatte ausgelöst. Trotz der für die europäischen Produzenten bedrohlichen Schwemme von Plastiktaschen aus Malaysia und China sollte die EU keine einstweiligen Zölle einführen, empfahl EU-Handelskommisar Peter Mandelson.

Dieser wirtschaftlich motivierte Streit kommt den Umweltschützern nun gelegen. "Handelsübliche Plastiksackerl brauchen ungefähr 400 Jahre, um vollständig zu verrotten", sagt Michael Baur, Sprecher der österreichischen Umweltorganisation "Global 2000". "Es gibt Alternativen, die biologisch abbaubar sind, die dem Kreislauf der Natur entsprechen. Das muss man den Leuten klar machen. Ich glaube, dass ist vielen nicht bewusst, da sie nicht auf längere Sicht denken." Die internationale Meeresschutzorganisation "Oceana" mit Sitz in Madrid schätzt, dass weltweit jede Stunde rund 675.000 Kilogramm Müll ins Meer geworfen werden, allein die Hälfte davon Plastik. Durch diese Müllschwemme breitet sich etwa im Nordpazifik zwischen Kalifornien und Hawaii ein fast geschlossener, drei Millionen Tonnen schwerer Plastikmüllteppich von der Größe Mitteleuropas aus. Nicht nur ein Problem für dort lebende Fischarten. "Zeit zum Umdenken", meint Baur, auch wenn in Österreich die Auswirkungen nicht so spürbar sind. "Um Kunststoff zu produzieren, benötigt man Erdöl. Wir sind in einer Phase, in der in wenigen Jahrzehnten die fossilen Rohstoffe verbraucht sein werden. Darum muss alles darauf gesetzt werden, Alternativen zu suchen, die nicht in die Einbahnstraße fossiler Brennstoffe führen." Anders gesagt: Es müssen Kreisläufe geschaffen werden, die auf pflanzlichen, biogenen Rohstoffen beruhen. Denn weltweit werden etwa 220 Millionen Tonnen Kunststoffe und Kautschuk produziert. Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Zahl bis 2010 auf 250 Millionen Tonnen erhöhen wird. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoffen wird von derzeit 28 auf 37 Kilogramm steigen. "Global 2000" beschäftigt sich derzeit intensiv mit Alternativen und versucht in Bezug auf Plastiktaschen, ein Projekt auf die Beine zu stellen. "Biologisch abbaubare Tragetaschen aus NAWARO (Nachwachsende Rohstoffe) könnten einen Ausweg darstellen. "Wir suchen direkte Kooperationspartner", so Baur. "Wir wollen versuchen, mit Handelsketten Pilotprojekte ins Leben zu rufen, die aufzeigen, dass es sehr wohl möglich ist, Alternativen zu Plastik zu verwenden."

Ein ähnliches Projekt läuft seit Frühjahr 2005 unter dem Namen "Loop Linz" in Oberösterreich zur Einführung biologisch abbaubarer Verpackungen mit Biopolymer-Herstellern, Kunststoffverarbeitern, Handelsunternehmen, den Medien und der Supermarktkette "Spar". Warum es aber mit alternativen Konzepten oft nicht klappt, scheint für Baur klar zu sein. "Die Ökologie spielt oft keine Rolle, es geht nur um den Preis. Hier könnten die Politiker Bewusstsein schaffen, dass jeder einzelne Verantworung trägt, wie der Zustand unserer Erde sein wird."

Es gäbe ganz einfache Maßnahmen, etwa die Reduktion der Mehrwertsteuer auf biologisch abbaubare Werkstoffe. Allgemein gilt es, Anreizsysteme zu schaffen, die einen ökologischen Innovationsprozess in Gang setzen. Dann könne man sehr viel an ökologischen Fehlern vermeiden und ein Rohstoffsystem schaffen, das nicht nur für die nächsten dreißig oder vierzig Jahre, sondern vielleicht für die nächsten tausend Jahre bestand habe. "Im Allgemeinen fehlt das Bewusstsein. Wir verwenden ja auch für unseren Müll ein Plastiksackerl und schmeißen das mit auf die Deponie. Eigentlich absurd." Letztlich gehe es um viel mehr, als um ein Plastiksackerl, weiß Baur. Es geht um ein ganzes System names Erde.

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