6584164-1951_35_11.jpg
Digital In Arbeit

„Bambi“-Film siegt über „Schneewittchen“

Werbung
Werbung
Werbung

Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, Felix Saltens naturmythische Novelle vom Reh-Prinzen „Bambi“, als Märchen zu verkennen. Dazu fehlen ihm unter vielem anderen das Symbolhaft-Ab6trakte, die „Moral“, noch mehr aber da6 Metaphysische. Das sagt nichts gegen das Buch, das Meisterwerk eines versierten Feuilletoni6ten, verliebten Waldläufers und passionierten Waidmannes. Es bestand nur, als man von Walt Disneys Plan einer Fiknfassung in Schneewittchenmanier hörte, die Gefahr, daß der kühne Konstrukteur von Zwergen und Fabeltieren diese haarscharfe Grenzziehung Jahrtausende alter abendländischer und östlicher Kunsttradition verwische oder gar nicht erkenne. Nun, da wir mit neunjähriger Verspätung Disneys abendfüllenden Farb-Zeichentrickfilm „Bambi“ zu Gesicht bekommen, atmen wir erleichtert auf: „Bambi“ ist nicht mit Äsopschen und Grimmschen Zügen vermanscht, verfälscht und verpfuscht worden, .Bambi“ ist „Bambi“ geblieben, vielleicht um eine Nuance niedlicher, volkstümlicher und kindhafter als das im Grunde doch von einem tragischen Zwielicht erfüllte Original (da6 Leiden der Tiere — mehr am Menschen als an der Natur!), aber doch ein bezaubernder Film, vielfach gelöster und trotz aller Verliebtheit in Details runder, ökonomischer und fülliger als „Schneewittchen“. Die Grenze des Films offenbart sich in dem flachen Happy End — hier fällt eine ganze Dimension unter den Tisch! Auch der Bruch der übrigens vorzüglich gewählten realen menschlichen Sprechstimmen mit den illusionistischen Tierfiguren ist mit der Hand zu greifen — vielleicht wäre es besser gewesen, den Dialog noch mehr, etwa in Chaplins „Lichter-der-Großstadt“-Manier, zugunsten der Musik zu opfern. Trotz allem: „Bambi“ ist einer wunderbare Leistung filmischen Instinkts und handwerklicher Präzision, ein Film für jung und alt, ein Standardwerk von gestern, für heute und nach morgen.

In der ersten Woche der neuen Filmsaison, die nun mit vollem Orchester eingesetzt hat, ist auch Osterreich aller Ehren voll vertreten.

In einem Miniaturraum der Inneren Stadt weist ein Badner Erfinder an Hand eines Wiener Kurzfilms dem plastischen Film der Zukunft die Richtung, wenn auch noch nicht einen gangbaren Weg; denn komplizierte Sehblendenapparate für jeden einzelnen Zuschauer stellen vielleicht eine physi-

kalische, niemals aber eine wirtschaftliche Lösung des Problems dar.

Schönbrunn-Film wartet mit drei neuen Kulturfilmen auf, der etwas konventionellen „Österreich-Rundfahrt“, dem intelligent komponierten Messe-Werbefilm „Hier ist Wien“ und dem schockartig wirkenden originellen Minutenfilm „St. Stephan ruft“.

Ein respektabler österreichischer farbiger Spielfilm, „Das Herz einer Frau“, baut den „Rosenhügelstil“ weiter au6: brillante Revue mit einem Schuß östlicher Soziologie, zwei Elemente, die immer noch nicht ganz überzeugend ineinander aufgehen wollen.

Die übrigen führt ein — argentinischer Film an: „König der Bettler“, ein nicht ganz ausgewerteter großer Stoffwurf, Doppelleben eines phantastisch reichen Bettlers; eine musikalisch befriedigende Opernlösung, „D i e lustigen Weiber von Windsor“ (ostdeutsch), der berückend photographierte

russische „Goldene Sommer“ und ein Hollywood-Bilderbogen aus dem Handgelenk, „Das Tal d.er Leidenschaften“, aus der Zeit der amerikanischen Staatswerdung, vervollständigen den erfreulichen Saisonstart.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Osterreich): I (Zu empfehlen für alle): „Bambi“. II (Für alle zulässig): „Die lustigen Weiber von Windsor“, „Das Herz einer Frau“. III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Flucht in die Freiheit“, „Gefängnis ohne Gitter“. IV (Für Erwachsene): „Rausch einer Nacht“, .Falschmünzer am Werk“, „Eva im Frack“. IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): .Entgleist“. V (Abzuraten): „Sündige Liebe“. VI (Abzulehnen): .Meine Frau, die Sünderin*.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung