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Urweltsaga

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In Walt Disneys Werk erfahren das Wesen und kuppel und der Opernbühne herumspringen läßt,

das Dasein des Films ihre höchste Rechtfertigung. Mag von seinen drei Arbeitsgebieten — Spielfilm, Zeichentrickfilm, Natur-Dokumentarfilm — das erste auch einmal jenem Gesetz der raschen Vergänglichkeit verfallen, das dem „Filmdrama" überhaupt beschieden zu sein scheint, so bleiben uns doch die letzteren zwei als Dauerleistung schöpferischen menschlichen Geistes erhalten.

In diesem bewundernswerten Oeuvre Disneys stellt der neue Film „D ie Wüste leb t", der erste abendfüllende Film einer geplanten ganzen Reihe von Entdeckungsfahrten in die Natur, ein wahrhaft sensationelles — „sensationell” in einem revolutionierend modernen, aufregenden und zugleich noblen Sinn — Ereignis dar. Vielleicht hätte eine andere „Kanone" der Regie oder der Kamera auf einem Ausflug in die „Great American Desert" (die gefürchteten Todestäler zwischen Kalifornien und Texas) auch jene erregenden. Piecen „geschossen", die hier optisch und witzig oder dramatisch musikalisch komponiert so unerhört „einschlagen": die Jagd von Peccarys auf einen Luchs, die Liebestanzquadrille der Skorpione, der Kampf der Pepsiswespe mit der Tarantel u. v. a. Walt Disney aber gab diesen Bildern erst den Rahmen, den Dingen Leben und den Ereignissen Sinn und formte aus Novellen, Feuilletons und Reportagen durch Anfang und Schluß ein rundes, geschlossenes Weltbild, eine Kosmologie von hinreißender Ueberzeugungskraft. Da brodeln anfangs die dampfenden Schlammkrater des Saltonsees, ungeheure Blasen werfend und die schaurige Melodie der Urwelt orgelnd, und da schießen am Schlüsse die Wasser eines Wolkenbruches an die rissigen, ausgetrockneten Adern der Wüste, Leben spendend. Blühen spendend, Fruchtbarkeit. So fällt in den harten Realismus, in das gnadenlose Gesetz der Natur vom Fressen und Gefressenwerden ein Lichtstrahl von Hoffnung und Versöhnlichkeit, und Ding und Tier lassen das Gesetz fruchtbarer und friedvoller Erfüllung ahnen, das der Schöpfer dann als Schicksal und Aufgabe des Menschen gesetzt hat.

Amerika hat Im Wildwester sein „Nibelungenlied" und in der ständig abgewandelten Fabel vom modernen Jazzmusiker, Revueschöpfer oder Manager seinen modernen „Faust" und „Hamlet" zugleich. „D i e Glenn Miller Story” ist die liebenswürdig verklärte Geschichte jenes erst qualvoll ringenden, dann unerhört erfolgreichen Jazzarrangeurs, der an einem nebelbrauenden Vorweihnachtstag 1944 mit einer Kuriermaschine über dem Kanal verschollen ist. James Stewart als schüchterner Liebhaber, aber zäher Mann, der „strebend sich bemüht" (in seiner Zerrissenheit freilich Hamlet näher als Faust), ist eine prachtvolle Gestalt, June Allison ein scharmantes Frauchen — hier eine der wenigen Heldinnen des Films als Ehegattin, nicht als Geliebte oder Ehebrecherin mit Glorienschein. Der einzige Fehler des stillen schönen Films ist, daß der „neue Klang", dem Glenn Miller so lange nachspürt, im Film trotz des Aufmarsches weltbekannter Stars (Louis Armstrong, Ben Pollack, Gene Krupa, Frances Langford) nicht recht sichtbar, das heißt hörbar wird. Aber vielleicht, meint der Kritiker, ist seine Kurzsichtigkeit daran schuld.

Hat man einmal den (Rudolf) Schock hinter sich, den die Filmfabel lustig zwischen der Zirkua-

so kann man in dem österreichischen Film Ernst Marischkas, „König der Manėg e“, nur noch angenehme Ueberraschungen erleben. Ein „g’hauter" Film, sagt der Branchemann zu solchen Filmen und greift dabei — nicht dorthin, wo das Herz aller Dinge schlägt, sondern nach rechts, wo die Brieftasche steckt. Schmissig geschnittene Ur- vpkabeln des Films: klebende Plakate, Begegnung von echten mit unechten Löwen, Bösewichter, die das Trapezseil durchschneiden und im rechten Moment abstürzen (wer andern ein Bein stellt, bricht sich selber seins) und so fort. Lauter Zibeben. Erst am Ende entdeckt man, daß gar kein Gugelhupf da war.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich) Nr. 40 vom 7. Oktober 1954: III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „König der Manege’, „Honolulubaby". — IV (Für Erwachsene): „Endstation Harem", „Fort der Rache". — IVa (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Wilde Glut", „Piraten an Bord". — V (Abzuraten): „Sie”, „Duell in der Sonne”.

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