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Das neue Jahr im Kino

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Wenn auch die meisten der zu Weihnachten in Wien angelaüfenen neuen Filme in irgendeiner Hinsicht zumindest interessant und sehenswert sind, so fehlt doch — im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, wie üblich — der „große” Film, der künstlerisch besondere, überdurch- schnittliche; Chaplins „Monsieur Verdoux” (nach einer Idee von Orson Welles), die eiskalt-bösartige Mördergeschichte, hinter derer Liebenswürdigkeit und bhaplinschem Groteskcharme höhnische Verzweiflung und Verachtung hervorlugt, wäre ein solcher Film — aber er ist eine Wiederaufführung und nicht .mehr,neu, sondern bestenfalls „wiederentdeckt”.

Nennen wir an der Spitze der Erstaufführungen also den neuen und fünften Film Peter Bogdano- vichs („Bewegliche Ziele”, „Die letzte Vorstellung”, „Is was Doc?” und „Paper Moon”), eine stimmungsvolle, vorlagegetreue und überaus poetische, wenn auch äußerlich handlungsarm und breit wirkende Verfilmung einer Kurzgeschichte von Henry James „Daisy Miller”. Nicht nur in Decors Und Kostümen hat der unerhört wandlungsreiche junge Regisseur es verstanden, den Geist einer Zeit vor 100 Jahren lebendig werden zu lassen, auch in der Gestaltung — die sich nur dem Geduldigen erschließt — liegt eine ruhige Poesie über der Geschichte einer jungen Amerikanerin auf ihrer Europareise Ende des 19. Jahrhunderts, deren freie Manieren sie zu einem Rätsel stempeln: ist sie berechnend, leichtfertig oder einfach unschuldig und naiv.. ?

Wer etwas für den Tier-Dokumentarfilm übrig hat, sehe sich Eugen Schuhmachers nachgelassenes Natur- Hnknmpnt .F.urnnas Paradiese” an —

am besten mit der ganzen Familie —, in dem in einzigartigen, schönen Farbbildern das Tierleben in den europäischen Naturschutzgebieten und Tierreservaten gezeigt wird; die optische wie pädagogische Qualität der Aufnahmen dieses Berichtes mit der eindringlichen Forderung zur Rettung unserer bedrohten und immer mehr zum Aussterben verurteilten Tierwelt sind vorbildlich.

Ein Familienfllm, den man ebenfalls ohne jede Einschränkung empfehlen kann, nein, muß, ist das alljährliche Neuj ahrsgęschenk aus der Walt Disney-Produktion, diesmal ein abendfüllender ,t. Zeichenfilm . über „Robin Hood”; um der schon unzählige Male verfilmten englischen Abenteuerkomödie neue, märchenhafte Akzente zu geben und sie witzig-originell aufzupolieren, wurden die handelnden historischen Figuren von Tieren dargestellt — und die Wirkung ist so bezaubernd, die Einfälle sind so zündend, die Musik so flott und der ganze Film so liebenswert, daß man hier von einem richtigen Familienfilm sprechen kann! (Vor dem zweiten abendfüllenden Zeichentrickfilm, „Sindbad, der Seefahrer”, einer langweiligen, ermüdenden, unoriginellen Zusammenstellung von Zeichenkurzfilmen mit dem ewig gleichen Thema, einer Mischung aus Popeye the Sailor und Supermann, sei jedoch gewarnt!)

Die Palette ist diesmal wirklich ausnehmend bunt: sogar ein Groteskfilm ist unter dem Feiertagsangebot, über den man herzlichst Indien ‘ kann: „Der lange Blonde mit den roten Haaren”. Wenn auch der kommerziell-spekulativ ausgewählte Titel (in Erinnerung an einen Geschäftserfolg) nichts mit dem Inhalt zu tun hat, so ist die — stellenweise vielleicht allzu makabre — auf Stummfilm-Slapstickgags, die sich aber immerhin stets logisch ergeben und begründet sind, aufgebaute Groteske aus Frankreich so urkomisch, daß man sich bestens unterhält. Und Pierre Richard ist wirklich sehenswert …

Vor dem neuesten James Bond läßt sich das allerdings leider nicht behaupten; „Der Mann mit dem goldenen Colt” ist zwar noch aufwendiger als seine Vorgänger, die Schauplätze sind noch exotischer und die technischen Spielereien noch raffinierter — aber die Handlung ist zu ausgefallen, die dünne Story zu sehr ausgewalzt und die Darsteller allzu rollenfem (d. h. Roger Mooere ist kein 007 und Christopher Lee eher Dracula als ein Fleming-Typ!) als daß die überlange ärmliche Geschichte mehr als langweilen könnte… Dagegen ist ja noch der bereits zehn Jahre alte italienische Muskelmann-Film „Der größte Sieg des Herkules” (mit Dan Vadis als dümmlicher Bodybuilder-Champion) ein wahres Amüsement…!

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