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Ustinovs pust

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Wenn ein Film mit einer solchen Monsterbesetzung so lange auf sich warten läßt, hat das immer einen Grund: bei „Hammersmith is out“ (daß nicht einmal der Titel übersetzt wurde, zeigt die Hilflosigkeit gegenüber dem Objekt!) mit Elizabeth Taylor, Richard Burton, Peter Ustinov, George Raft und Beau Bridges in den Hauptrollen, amerikanischer Beitrag bei den XXII. Internationalen Filmfestspielen in Berlin 1972, wird er jedem Zuschauer schon nach wenigen Minuten klar sein ... Übrigens lasse sich niemand von der Reklame den „silbernen Bären“ aufbinden, mit dem der Film in Berlin ausgezeichnet wurde — richtig ist vielmehr, daß Peter Ustinov den „Spezialpreis“ der Jury anläßlich der Vorführung seines Films Hammersmith is out „für die Originalität seines künstlerischen Gesamtwerks“ erhalten hat — aber darunter fällt keineswegs diese uneinheitliche Kabarettgeschichte von einem mephistophelisch-faustischen (beides in einer Person, weil's so originell ist) Irrenhaus-Ausbrecher, der mittels einer Halbstarken-Marionette und dessen gar nicht gretchenhafter Freundin die Welt erobern und zerstören will, daran aber von einem in einer altmodischen Studierstube hausenden Gottvater-Direktor (im Original englisch mit jüdisch-wienerischem Akzent sprechend) zu guter-langer-letzt gehindert und wieder zurückgebracht wird. Nun ja, wenn es heißt, jeder Künstler schafft einmal seinen „Faust“, so ist ihn uns Ustinov hier jedenfalls noch schuldig geblieben — ein paar amüsante Gags allein genügen wohl nicht. Verbunden mit dieser verständlicherweise lange hinausgezögerten Erstaufführung war die Eröffnung des renovierten Metro-Kinos, das von einem weisen Architekten innerlich so belassen wurde, wie es früher war (Dank sei ihm dafür!), nur aufgefrischt und mit einer (zugigen) Klimanalage, sehr bequem-breiten Sesseln (in breitem Schürlsamt-Ho-sen-Stoff) und einem schönen Vorraum ausgestattet wurde (Merk's, Künstlerhaus-Kino, wie man mit Fachwissen, aber ohne persönliche Eitelkeit ein Kino neu herrichtet!). Das Sitzen in dem Kino jedenfalls bereitet das Vergnügen, das der augenblickliche Film leider nicht vermittelt...

Der europäische Western „Harte Männer, wilde Pferde“ beweist zwei Dinge exakt: erstens, daß ein guter Regisseur aus einem schlechten Drehbuch zwar auch keinen überdurchschnittlichen Film machen kann, aber immerhin imstande ist, eine Milieudichte und -echtheit zu gestalten, die seine spanische Herkunft verleugnet und ihn fast echt wildwestlich erscheinen läßt (John Sturges), und zweitens, daß Charles Bronson wirklich kein Schauspieler, sondern nur ein hervorragender Typ ist, der aber sehr bald abgenutzt sein wird, und bei dem bald immer mehr Leute erkennen werden, daß eigentlich nichts dahinter steckt als eine gute Figur und ein exotisch-brutaler Gesichtsschnitt.

Auch der dritte abendfüllende Spielfilm — nach „Bübchen“ und „Deadlock“ — des jungen deutschen Regisseurs Roland Klick, der sich aber glücklicherweise durch sein echtes Können von den Unarten des „jungen deutschen Films“ abhebt, beweist erneut dessen Talent: „Supermarkt“ liefert eine neue Probe davon, wie Klick dramaturgisch und technisch sein Handwerk beherrscht, vor allem aber, wie er treffsicher Milieu (hier die Hamburger Halbunterwelt) zu zeichnen und mit Laien zu arbeiten versteht — und besonders psychologisch-emotionelle Regungen erfaßt hat; der einzige Vorwurf gilt der manchmal etwas zu starken Klischee-Verhaftung, eine vermutlich kommerzielle Konzession an den Zuschauergeschmack, die er eigentlich nicht nötig hätte (künstlerisch gesehen, nicht erfolgsmäßig — leider...).

Der erstaunlichste, weil westlichen Filmstilen und modischen Richtungen bisher am meisten angepaßte sowjetrussische Film — dabei schon drei Jahre alt — läuft nunmehr bei uns an: „Bedenkzeit für die Liebe“ von Michail Bogin; eine von Lelouch inspirierte, jedoch ohne dessen ästhetisch-effektvolle Spielereien inszenierte, überaus poetische Liebesgeschichte, deren ebenso eindrucksvolle wie schöne Hauptdarstellerin Viktoria Fedorowa an Zartheit und Gefühlsreichtum jeden westlichen Star übertrifft. Man wird sich diesen Film ansehen und merken müssen ... Goswin Dörfler

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