6627492-1956_17_11.jpg
Digital In Arbeit

Nach Ebbe- Flut

Werbung
Werbung
Werbung

Der unerforschliche Ratschluß der Kinoprogrammgestaltung hat der österlichen Flaute an Belanglosigkeiten eine wahre Flut von beachtlichen Filmen folgen lassen, die Rezensenten wie Besucher in einen wilden Strudel gegensätzlicher Erlebnisse stoßen..

Das Herz wurde dabei am ' stärksten durch „M a m i t s c h k a“ angesprochen, eine in ihrem Realismus fast undeutsche, gleichwohl aber aus der deutschen Produktion stammende Komödie um die Schicksale der Familie Nawratill, die Budweis aus politischen Gründen hatte verlassen müssen. Eine fast simple Geschichte, einfach erzählt (so, daß sie fast ein wenig an unsere Radiofamilie erinnert), zeigt, welche Fragwürdigkeit unvermuteter Reichtum für Menschen bedeutet, die mit dem Geld nicht umzugehen wissen. Ganz erstaunlich die darstellerischen Leistungen der unbekannten Mila Kopp und einer Schar bisher völlig blasser oder durch banale Lustspielrollen mißbrauchter Schauspieler.

Helmut Käutners „M ädchen aus Flandern“ erzählt von einer Liebe zwischen den Fronten, die sich stärker erweist als nationaler Haß und Kriegsgegnerschaft, und tritt damit wieder für das große Thema seiner letzten Filme: den Primat des Menschlichen, ein. Käutner hat Zuckmayers Novelle „Engele von Löwen“ mit einer innigen Zartheit inszeniert und in einigen Randszenen in geradezu stilisierten Strichen den Begriff Krieg gezeichnet. Aber im ganzen gelang es ihm nicht, den hinplaudernden Erzählton der Novelle beizubehalten: man sucht andauernd nach einer Aussage, die sich aber nicht anbietet, sondern erst hineininterpretiert werden muß.

Anna Magnanis „Tätowierte Rose“ ist ein Erlebnis von elementarer Wucht, so stark, daß das Drama Tenessee Williams' — das er freilich eigens für diese Vollblutschauspielerin geschrieben hat — dahinter zurücktritt. Es ist die Tragikomödie einer ganz dem Mann und der Liebe hingegebenen Frau, die aufhört, zu leben, als er tödlich verunglückt. Sie vegetiert dahin, läßt sich verwahrlosen und neidet der Tochter alle Freude — bis sie erfahren muß, daß dieser Mann sie betrogen hatte. Ist es jetzt Rache oder neu erwachender Eros, der sie diesem gutmütigen Tölpel zutreibt „mit dem Körper ihres Mannes und dem Kopf eines Clowns“, der sie umwirbt, eine lächerliche Erscheinung und doch rührend in seinem Bemühen, ihr zu gefallen. Williams selbst hat sein Stück von den ärgsten Kraßheiten für den Film gereinigt. Vielleicht hat das bereits die inneren Linien ein wenig verwischt — vielleicht war auch nur der Regisseur zu schwach, mehr zu bieten als sauberes Handwerk. Aber die Magnani überspielt dies alles mit einer Besessenheit, die sie mit ihrer Rolle völlig eins werden läßt. Dieses Drama springt den Zuschauer höchst unerbaulich an und stellt die erotischen Probleme der unbefriedigten Frau nackt vor den Zuschauer hin.

Neben diesem Ausbruch großer Schauspielkunst kann sich nicht einmal de Sicas Episodenfilm, „Gold von Neapel“, halten, in dem er sich als Regisseur zu sehr in einer Pointiertheit des Details verliert und sich als Darsteller von einem kleinen Jungen an die Wand spielen läßt. Freilich — die Handschrift des Meisters erweist sich auch in dieser flüchtigen Skizze.

Der englische Streifen „Sekunden des Grauens“ würde in einer anderen Woche wegen seiner Thematik mehr Beachtung finden: er stellt die Frage, ob ein Traum die Wirklichkeit vorwegnehmen könne, und läßt sie auf eine sehr englische — trockene und intelligente — Art unbeantwortet, weil es eben keine Antwort gibt. Und so bangen wir auf einem Flug voller Gefahren mit den Passagieren, die zwischen Vernunft und Angst, Zwangsvorstellung und Courage geschüttelt werden.

„Schrei ohne Echo“, eine italienisch-amerikanische Gemeinschaftsproduktion, heftet einem Mörder aus Ueberraschung einen kleinen vertrauensvollen Jungen an die Seite. Ein Fluchtthema amerikanischer Art, mit einer etwas unklaren italienischen sozialkritischen Anklage, aber ohne rechte Spannung und nur durch Paul Munis letzte Rolle interessant.

„Hilfe, sie liebt mich“ ist ein nur mäßig unterhaltendes deutsches Lustspiel, und in der „Schwarzen Lawine“ soll Claudette Colbert aus wenig plausibler Rache in den Wahnsinn getrieben werden, was sie darstellerisch aber nicht bewältigt.

„Der Mann aus Laramie“ und „M i t stahlharter Faust“ sird die Wildwester der Woche: Erzeugnisse einer überdurchschnittlichen Routine, die sich um klischeefernc, aber höchst unerfreuliche Themen bemühen, und „Es geschah in einer Nacht“ eine unausgegorene Mischung von Kriminalreißer und Jazzkapellenstory.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung