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BERUNALE 1194

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Die diesjährigen I Internationalen Filmfestspiele Berlin . schmückten sich mit so I großen Namen des I Filmgeschäfts wie Sophia Loren, Tom Hanks, James Ivory (Regisseur von I „Wiedersehen in Howard’s I End’’ und „Was vom Tage übrig blieb) oder Brian de Palma (Regisseur von I „CarlitosWeg ).22 | Spielfilme konkurrierten miteinander um den

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Die diesjährigen I Internationalen Filmfestspiele Berlin . schmückten sich mit so I großen Namen des I Filmgeschäfts wie Sophia Loren, Tom Hanks, James Ivory (Regisseur von I „Wiedersehen in Howard’s I End’’ und „Was vom Tage übrig blieb) oder Brian de Palma (Regisseur von I „CarlitosWeg ).22 | Spielfilme konkurrierten miteinander um den

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Der britische Regisseur Ken Loach schont das Kinopubhkum nicht. Sein Sozialdrama „Ladybird, Ladybird" zählte bei der Berlinale zu den spannendsten und berührendsten Filmen außerhalb der Kommerzschiene. Der Zuschauer wird mit einem Knödel im Hals ungnädig in den Kinosessel gedrückt und erst losgelassen, wenn der Film endet.

Loach erzählt die Leidensgeschichte Maggies (Crissy Rock). Die Liverpoolerin hat vier Kinder von vier verschiedenen Männern. Auch mit ihrem letzten Partner hat sie Probleme, der ist eine exi-stenzielle Katastrophe und prügelt Maggie aus nichtigen Gründen halbtot. Die Fürsorge schlägt schließlich zu und nimmt ihr die Kinder weg. Maggie ist am Boden zerstört. Aber damit fängt das ganze Schlamassel erst an.

Maggie lernt den sensiblen, politischen Flüchtling Jorge (Vladimir Vega) kennen, der sich rührend um sie kümmert. Die beiden wollen eine Familie gründen, ziehen in eine kleine aber feine Wohnung und Maggie wird schwanger. Kurz nach der Geburt stürmt die Fürsorge mit Polizei-Unterstützung die Wohnung, um das Baby zu „konfiszieren". Damit aber noch immer nicht genug. Stur vrie Maggie ist, wird sie erneut schwanger und diesmal entreißt ihr die Fürsorge schon im Spital das Neugeborene. Unglaublich aber wahr, diese ..Geschichte hat sich in Großbritannien tatsächlich ereignet.

Herausragend an „Ladybird, Ladybird" sind die zwei Hauptdarsteller, die beide zum ersten Mal vor einer Kamera standen. Mit schockierender Überzeugungskraft lassen Crissy Rock und Vladimir Vega die Zuschauer kaum Atem holen und sind auf der Leinwand präsent wie kaum andere Schauspieler in Berlinale-Fiknen. Ken Loach erreichte die bedrückende Atmosphäre des Filmes und Ausdrucksstärke seiner Darsteller nicht zuletzt dadurch, daß seine Schauspieler während der gesamten Dreharbeiten über den Ausgang der Geschichte nicht Bescheid wußten. Crissy Rock bekam für ihre Darstellung der Maggie den „Silbernen Bären" für die beste weibliche Hauptdarstellerin.

Den „Silbemen Bären" für den besten männlichen Hauptdarsteller erhielt Tom Hanks für seine Rolle als Aids-infizierter Rechts anwalt in Jonathan Demmes „Philadelphia" (FURCHE 7/94; S seit 25. Febraar im Kino) ^’

Der „Goldene Bären" für den * besten Spielfilm ging an die irisch-britische Coproduktion „Im Namen des Vaters". Der Fibn erzählt die wahre Geschichte des zu Unrecht zu 15 Jahren Gefängnis i verurteilten Belfaster Hippies Gerry Conlon (Daniel Day Lewis). Der Ire wurde fälschlicherweise beschuldigt, als IRA Terrorist an Bombenanschlägen beteiligt gewesen zu sein. Regisseur Jim Sheridan nahm sich mit seiner Produktion eines klassischen Filmthemas an: der Triumph des menschlichen Geistes über die Ungerechtigkeit. In erster Linie ging es dem Regisseur vor allem um die menschliche, weniger um die politische Dimension. Es ging ihm um die Darstellung autoritärer Systeme und erst in zweiter Linie um die Beziehungen zwischen England und Irland. (Ab 18. März im Kino)

Bei der Auswahl der Wettbe-werbsfilme gaben sich die Fest-valleitung viel Mühe, oberflächlichen amerikanischen Kommerz

„Goldenen Bären". 1 zu vermeiden. So liefen als Vertreter des US-Hollywoodkinos James Ivorys „Was vom Tage übrig bUeb" (Furche 8/94) mit Anthony Hopkins und Emma Thompson und Brain de Palmas „Carlitos Weg". Mit „Carlitos Weg" zollt der Hollywood-Regisseur dem klassischen Gangster-film-Genre Tribut. Seine Hauptfigur Carlito (AI Pacino) will sich nach fünf Jahren Knast aus dem Drogengeschäft zurückziehen und in Florida Autos vermieten. Um in dieses Geschäft einsteigen zu können, braucht der Ex-Drogenkönig Harlems aber 75.000 Dollar, die er auf ehrliche Weise als Nachtclub-Geschäftsführer verdienen will. Carlitos ehemaligen Freunde, Geschäftspartner und Gegner machen ihm den Ausstieg ordentlich schwer. Nach dem bekannten Hollywood-Muster inszenierte de Palma einen spannenden aber ausdrackslosen Film im klassischen ABC-Sche-ma. A: Vorstellen der Figuren. B: Handlung läuft in verschiedene Richtungen. C: Alles konzentriert sich auf einen hoUywoodiani-schen Showdown mit Schießerei und Blutvergießen. So anspmchs-los „Carlitos Weg" auch ist, so spannend ist der Film von Anfang bis Ende. Der US-Streifen lief auf der Berlinale außer Konkurrenz. (Seit 25. Febmar im Kino)

Ebenfalls außerhalb des Wettbewerbs war ein Kinoglanzstück des Briten Richard Attenborough zu sehen. In „Shadowlands" verliebt sich Anthony Hopkins als alternder Oxford-Literaturprofessor in die amerikanische Dichterin Joy Grisham (Debra Winger), der allerdings Krebs allmählich die Lebensenergien entzieht Eine klassische Liebesgeschichte also, die pointenreich anfangs herrlich amüsiert, bei Ausbmch der Krankheit Joys ins Traurige kippt. Zwar wird das Ende sinnlos hinausgezogen, dafür entschädigt Hopkins das Publikum mit erlesener Schauspielkunst. Seine Verlegenheitsgesten und seine Mimik" sind ein Musterbeispiel für höchste darstellerische Leistungen. (Anfang April im Kino).

Der starken Präsenz amerikanischer und englischer Produktionen, die sich vor allem durch spannende Handlung, beein-dmckende Schauspieler und effektreiche Inszeniemng auszeichneten, konnte der deutschsprachige Fibn nur sehr wenig entge-jjensetzen. „Der Blaue" von Lein-lard WawTzyn mit Manfred Krag in der Hauptrolle wurde zwar von Teilen der deutschen Filmkritik selbstgefällig in den Kunsthimmel gehoben, blieb aber durch verworrene Handlung und Spannungslosigkeit im Bereich des Trivialen. Es geht um den Tierarzt Dr. Skrodt (Krag), der -als Ostdeutschland noch DDR war - als Stasi-Spitzel seinen besten Freund verriet. Und danach als Politiker beim Auftauchen dieses Freundes um seine Karriere fürchtet. Eigenthch ein brisantes und interessantes Thema. Leider macht Wawrzyn daraus einen gezwungen komischen Film, wobei Manfred Krag als politischer Wendehals in keiner Weise überzeugt.

Erdrückend und unübersichtlich war das Riesenangebot an Filmen der Berlinale. Das Programm an Produktionen aufstrebender und etablierter internationaler Filmemacher würde wohl für drei Festivals ausreichen. Dementsprechend überfordert zeigte sich auch das Publikum. Für die Filmfestspiele scheint dieses jedoch zweitrangig zu sein, viebnehr glänzte die ßerbnale als Treffpunkt der internationalen Filmwirtschaft.

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