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Krise des neuen Films ? Enttäuschung in Venedig

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Das Filmfestival von Venedig ist das älteste der Welt. Es wurde 1932 aus der Taufe gehoben und wird somit im nächsten Jahr sein SOjähriges Jubiläum feiern.

Es trägt noch immer den anspruchsvollen Namen „Mostra In-ternazionale d’ Arte Cinemato-grafica". Von der Filmkunst ist man jedoch meist recht weit entfernt

Direktor des Festivals ist Carlo Lizzani, Mitglied der kommunistischen Partei, dessen beste Zeit als Filmregisseur in den fünfziger Jahren lag und der heute stark zum Actionfilm der Mittelklasse tendiert.

Ein Konzept ließ sich an Lizza-nis heuriger Programmierung nicht erkennen, auch keine ausgewogene Vertretung großer und interessanter kleiner Filmnationen. So war Österreich am Lido heuer in den verschiedenen Sektionen des Festivals überhaupt nicht gefragt, andere, bedeutendere Filmländer waren entschieden unterrepräsentiert.

Dafür war Italien in dem mit

insgesamt 20 Filmen beschickten Wettbewerb gleich mit fünf Filmen vertreten, von denen sich aber vier als Blindgänger erwiesen.

Bedeutende Regisseure und Schauspieler ziehen sich — wie auch in Cannes — immer mehr auf Vorführungen außer Konkurrenz zurück, weil sie da allfällige Verrisse der versammelten internationalen Presse offenbar weniger treffen oder weil sie - wie diesmal Krzysztof Zanussi und Peter Bog-danovich — in der Festivaljury saßen.

Erfreulich: Der eindeutig beste Film des Wettbewerbs gewann. Und das war der deutsche Film „Die bleierne Zeit" von Margarete von Trotta, der Gattin Volker Schlöndorffs, die fast bei allen Filmen ihres Mannes mitgearbeitet und gelernt hatte.

In ihrem nunmehr dritten eigenen Film schildert sie das Schicksal zweier Schwestern, von denen die ältere als Redakteurin einer

Frauenzeitschrift die Welt mit kleinen Schritten verändern möchte, die jüngere aber als Revolutionärin auch mit den Mitteln des Terrors.

Diese Figur ist der in Stuttgart-Stammheim ums Leben gekommenen Pastorentochter Gudrun Ensslin nachgebildet, doch entschuldigt die Trotta mit keinem Wort den Terrorismus und sieht ihn vielmehr als menschliches denn als politisches Problem.

Daneben ist aber das Thema der Verantwortung für den Nächsten - die Schwester, das Kind, die in der Dritten Welt unter Krieg und Hunger leidenden Menschen -stark herausgearbeitet. Auch formal ist der Film eine Leistung von ausgereiftem professionellem Können.

Er erhielt neben dem „Goldenen Löwen" fünf weitere Preise, daneben auch den der Internationalen Katholischen Filmorganisation OCIC.

Annehmbar, aber mehr auf kommerzielle Machart als auf die Ausschöpfung der thematischen Möglichkeiten ausgerichtet waren die beiden US-Filme „True confessions" mit den StarS Robert de Niro und Robert Duvall sowie „Prince of the city" von Sydney Lumet.

Sonst verdienen aus dem Angebot des Wettbewerbs eigentlich nur der brasilianische Film „Sie tragen keinen Smoking" (mehr wegen des Auf zeigens einer sozialen Situation im Arbeitermilieu einer Großstadt als wegen der Gestaltung), die atmosphärisch starke norwegisch-schwedische „Hexenjagd" sowie „I matlosa" (Die Heimatlosen) eine in ihrer Zivilisationskritik mitunter an Jacques Tati erinnernde „Aus-steiger"-Geschichte aus der italienischen Schweiz Erwähnung.

Der Rest waren nichtssagende, langweilige, manirierte Filme — zwei Drittel des Angebots, also eine recht erschütternde Bilanz.

Die größte Enttäuschung des Festivals war für mich und viele Kollegen aber der Papst-Film „Aus einem fernen Land" des Polen Krzysztof Zanussi, den er allerdings in italienisch-englischer Co-Produktion geschaffen hat. Was außerhalb des bewährten psychologisch subtilen Stils des Polen liegt, nämlich die Massenszenen, das wird zum simplen, plakativen Monsterschinken italienischer Art.

Die Figur des Karol Wojtyla in Jugend und ersten Priester jähren bekommt nie ein überzeugendes Profil, und wenn er dann selbst nach dem Konklave und auf seiner Reise nach Polen in Erscheinung tritt, erhält der Film eine allzu triumphalistische Note.

Das Festival von Venedig wird jedenfalls alle Anstrengungen unternehmen müssen, um sich aus den heurigen Niederungen zu erheben und im nächsten Jahr ein würdiges Jubiläum zu feiern.

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