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Die 59. Filmfestspiele von Venedig hatten - Rom sei Dank - ihren "Skandal". Der Vatikan empörte sich über den späteren Sieger.

Das Beste, was einem angeschlagenen Filmfestival wie dem in Venedig passieren kann, sind Skandale. Denn sie bringen die heiß ersehnte Publicity, die die "Mostra del Cinema" dringend nötig hat. Venedig zählt neben Cannes und Berlin zwar immer noch zu den sogenannten "A-Festivals", hat aber stark an Glanz verloren. Denn die gleichzeitige Konkurrenz in Deauville (Festival des amerikanischen Films) und Toronto zogen die Stars mehr und mehr vom Lido ab.

Da half es auch nichts, dass man Moritz de Hadeln als neuen Chef der Festspiele engagierte. De Hadeln hatte bis 2001 die Berlinale geleitet und wurde dort unsauber entsorgt - genauso wie sein Venedig-Vorgänger Alberto Barbera, der der Regierung Berlusconi zu regierungskritisch war (inoffiziell natürlich). De Hadeln hatte nur fünf Monate Zeit, ein Programm zusammen zu stellen. Das gelang ihm dank seiner zahlreichen Kontakte mit Bravour. Auch die Stars kamen: So zeigte sich Harrison Ford, um für den stupiden U-Boot-Thriller "K:19 - The Widowmaker" zu werben, ebenso Tom Hanks, der für "Road to Perdition" gekommen war. Und Sophia Loren hielt ihrem Sohn Edoardo Ponti das Händchen, um dessen verunglücktes Regiedebüt "Between Strangers", in dem sie selbst die Hauptrolle spielt, vom Stapel zu lassen.

Kirchen- & 11.9.-Schocker

Blitzlichtgewitter also, wie es sich für ein Filmfestival gehört. Und ein paar kleine Aufregungen - wie um den Preisträger des Goldenen Löwen, dem irischen Film "The Magdalene Sisters". Für die italienische wie für die internationale Presse war schnell klar: Dieser Film ist qualitativ so hochwertig, dass nur für ihn die Löwen am Lido brüllen durften. Nur die Tageszeitung des Vatikan, L'Osservatore Romano, stimmte nicht in den allgemeinen Jubel mit ein und empörte sich über das zutiefst "antiklerikale" Werk.

Stein des Anstoßes: Regisseur Peter Mullan erzählt die Geschichte von vier jungen Frauen im Irland der 60er Jahre, die in ein Kloster des Magdalenen-Ordens gesteckt werden, weil sie unehelich ein Kind geboren haben. Hinter den Klostermauern herrschen Sitten wie in einem Kriegsgefangenenlager: Die Frauen werden von den Schwestern misshandelt, gedemütigt und vom Priester des Konvents zu sexuellen Handlungen gezwungen. Ein Entkommen aus diesem Ort der Verstoßenen gibt es nicht, jeder Fluchtversuch ist zwecklos und wird mit dem Abschneiden der Haare oder Peitschenhieben bestraft. Wer krank ist, bleibt sich selbst überlassen, denn die Schwestern kümmern sich nicht um ihre Sünderinnen. Peter Mullan: "Man hat die Frauen eingesperrt und sie zur Arbeit gezwungen, damit sie für ihre Sünden büßen. Es waren auch Frauen dabei, die vergewaltigt wurden, und für ihr uneheliches Kind gar nichts konnten. Tausende Frauen haben in diesen Magdalenen-Klöstern gelebt und sind dort auch gestorben. Das letzte dieser Klöster wurde 1996 geschlossen." Für Mullan ist "The Magdalene Sisters" ein "fiktionaler Film, der leider eine wahre Geschichte erzählt".

Die Jury des Festivals, angeführt von der Chinesin Gong-Li, war von der dichten Inszenierung angetan. Den Vatikan begeisterte Mullans wahre Geschichte allerdings wenig, und man kann davon ausgehen, dass der Film jetzt, nach seiner Prämierung, weiterhin für hitzige Diskussionen in Italien sorgen wird.

Ebenso hitzig waren die Reaktionen auf den Film "11'09''01 - September 11", der in Venedig uraufgeführt wurde. Darin versuchen sich elf bekannte Regisseure aus aller Welt in je einem Kurzfilm von exakt 11 Minuten, 9 Sekunden und einem Filmbild (das Datum des Terroranschlags) in der Aufarbeitung der Ereignisse. Regisseure wie Ken Loach, Claude Lelouch, Sean Penn, Samira Makhmalbaf oder Amos Gitai zeigen darin ihre Sicht der Dinge - und sind damit gar nicht auf Linie mit der amerikanischen Schwarz-weiß-Malerei, die die Regierung Bush nach dem 11. September betrieben hat. Besonders in den Beiträgen von Ken Loach oder Sean Penn wird deutlich: Anderswo auf der Welt werden die Anschläge auf das World Trade Center ganz anders rezipiert als in den USA. Prompt sprachen US-Journalisten von "offenem Antiamerikanismus" und "mangelnder Solidarität", der im "Rest der Wel" herrsche.

Nicht nur Stars und Skandale

So wurde lieferte das Filmfestival in Venedig dank einiger mutiger Filmprojekte ausreichend Gesprächsstoff. Des weiteren Julianne Moore wurde weiters für ihre Darstellung einer biederen Hausfrau in den USA der 50er Jahre ausgezeichnet ("Far From Heaven"), ebenso Kameramann Ed Lachman, dem bei der kommenden Viennale ein Tribute gewidmet sein wird.

Das hohe Kunstkino bediente unter anderem Takeshi Kitano ("Dolls"), der Schwede Lukas Moodysson überraschte mit seinem Drama "Lilya 4-ever" um eine 16-jährige Russin, die in die Prostitution schlittert. Dennoch: Wenn die Festspiele von Venedig ihren Status als A-Festival halten wollen, dann dürfen sie sich künftig nicht allein auf Stars und Skandale verlassen. Die kommen außerdem ohnehin von selbst, wenn man sich auf mutige und innovative Filmarbeiten einlässt.

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