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Der „Dritte Mann“ macht Schule
Die Mischung von Abenteuer, Kriminalität und Zeitproblematik im „Dritten Mann“, exekutiert von besonderen künstlerischen Potenzen der Regie, Kamera und Darstellung, war ein erfolgversprechendes Elexier. Die Rechnung stimmte: der .Dritte Mann“ macht Schule.- Wir sahen als besten Film der vergangenen Woche den englischen, auf der Biennale preisgekrönten Film „Der goldene Salamander“, der im Grunde das simple Amateurdetektivabenteuer 'eines britischen Archäologen im Kampfe mit tunesischen Waffenschmugglern aber mit folkloristischer Gründlichkeit unterbaut, in der Inszenierung von gepreßter Atmosphärendichte und mit der blutjungen Schauspielerin Anouk auch eine große darstellerische Hoffnung präsentierend.
“Ein noch riskanteres Bündnis des Kriminell-Spannenden mit dem Aktuell-Hochpolitischen geht der zweite dieser Art, der gleichfalls englische Film „Staatsgeheimnis“, ein: atemraubende Erlebnisse eines amerikanischen Mediziners in einer sagenhaften Zwergdiktatur, deren Titel („Vosnien“), Sprache, Uniformen und Embleme zu naheliegenden Deutungen heraufordert. Was diesen Film vom künstlerischen Stil des „Goldenen Salamanders“ fehlt, versucht er durch den blutigen Ernst des Sujets und die bravouröse Routine eines fixen Thriller-Stiles wettzumachen. Hier droht der Schule des „Dritten Mannes“ allerdings gleich zu Anfang eine eminente Gefahr: Ist die todernste Weltlage wirklich als Exerzierfeld fescher, rescher Filmreißer geeignet? Dies gilt freilich nicht nur nach Westen gesprochen ... !
Mit der edlen Geste echter Kunst und Frömmigkeit wiederholt der nunmehr im öffentlichen Programm gezeigte französische Film „Les anges du peche“ (Das Hohelied der Liebe) den starken Eindruck, den er seinerzeit bei der Wiener Festwoche des religiösen Films erweckt hatte. Hier ist ein Stoff, strotzend von Klippen und Gefahren (die Novizin eines Dominikanerinnenklosters an der Loire, in dem Frauen aus Gefängnissen Zuflucht finden, ringt um die Seele einer jugendlichen Mörderin) mit anerkennenswertem Takt gebändigt, gefühtsreich, aber nicht rührselig, einzelne, vom Drehbuch her nicht ganz befriedigende Szenen mit hoher Kunst der Darstellung glättend. Ein ergreifender Film für ein anspruchsvolles, empfängliches Publikum.
Ein deutscher Film „Im Tempel der Venus“, unverfänglicher als sein Titel, variiert mit Erfolg den Trick, ein bestimmtes Ereignis aus den völlig verschiedenen Blickpunkten zweier Personen abrollen zu lassen. Das spritzige Sujet, ein Brauttausch, kommt dem Stilwitz weitgehend entgegen. , Es ist nicht wahr, daß Paul Keller wirklich das „letzte Märchen“ geschrieben hat, daß unsere Zeit so ganz ohne Duft und Poesie und Fernweh — ohne Märchenhaftigkeit ist. Ob freilich Hollywood die Märchenhauptstadt unserer Tage sein soll? Der Hexer von Ol“, ein prächtiger, sauberer Film mit gewaltiger Trick- und Traummaschinerie, kann diese Zweifel nicht ganz unterdrücken. Einzelne ur-und volkstümliche Motive und Gestalten tragen zweifellos schlichte Märchenzüge, viele andere aber ächzen unter der Last von Super-klugheit und Abstraktion. Der feige Löwe, der Mann ohne Herz, der Mann, der das Gruseln v e r lernen möchte — das ist alle witzig, bissig, zauberhaft: märchenhaft, kindlich ist es soviel und sowenig wie Walt Disney motorisierte Zwergendivision.
Von zwei weiteren amerikanischen Farbfilmen hat der historische Schwank „Robin Hoods Abenteuer“, der die Gegenspieler des verschollenen Richard Löwenhere durch eine romantische Räuberbrigade zur Strecke bringen läßt, mehr Schmiß und Schwung als der unaussprechlich naive Bilderbogen „Bagdad“. In letzterem spielt, beschämend farblos, trotz Technicolor, ein einstiges hoffungsvolles Wiener Bühnentalent einen wüsten Wüstensohn, Chacun a son goAt. Und die Wunde der künstlerischen und persönlichen Sterilisation (aus Paul Hubschmied wurde „Paul Christian“) wurde offenbar mit Dollars verpflastert. Aber, Hand aufs Herz, bricht sie nicht einmal im Jahre auf, die gräßliche Wunde, und brennt und schmerzt und macht ihren Träger rot vor Scham?
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