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Kehraus der Saison

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Die Wiener Festwochen sind vor- bei, es geht dem Ende zu. Das

Fazit der Saison wind noch zu zidhen sein. Das Akademietheater stellte sich (reichlich spat, aber immerhin noch fruher als sein gro- Ber Bruder, das Burgtheater, das noch zwei Tage vor TorschluB eine Raimund-Premiere brachte) mit einem Nestroy-Abend ein. Er kop- pelt zwei selten aiufgefiihrte, recht ungleiche Possen und laflt wieder einrnal so recht bewuBt werden, wie selten man in Wien Nestroy spielt und wenn, dann immer nur das- selbe halbe Dutzend von den 83 Stricken. Wo denn aber als in Wien muBte man immer wieder bei- spielgebend beweisen, daB der geniale Nbrgler seine misanthro- pische Weisheit in ein hochmoder- nes, freches, respektloses Bii'hnen- idiom gekleidet und so die Sprache der „entern Grund" fast zur Welt- sprache erhoben hat. Man braucht ihn deshalb nicht gleich als den „be- deutendsten Philosophen Oster- reichs" zu feiem, wie es Friedell, einer seiner kliigsten Bewunderer, getan hat.

Die einaktige Posse „Friihere Ver- hdltnisse" (sein vorletztes Stuck und 1862, in Nestroys Todesjahr, ent- standen) mutet wie eine Kurzfas- sung seiner Lieblingsthemen an. Auch hier trifft sein Blick hinter Wortwitz und Wortspiel unverhullt den kieinen Burger, der so gem groB sein mochte. Aber leider: „... s Fatalst bei die frtiheren Ver- haltnisse is, daB sie oft spater auf- kommen tun." Und das ist auch das Thema der Verwechslungskombdie von den Empor- und den Herab- kbmmlingen, deren nur locker ver- wickelte Faden schlieBlich, entwirrt, zu einem fiir die beiden Paare guten Ende fuhren. Freilich stellt die Ehe bei Nestroy bloB „eine wechsel- seitige Lebensverbitterumgsanstalt" dar, weshalb dem guten Ausgang doch nur sehr bedingt zu trauen ist. Den zweiten Teil des Abends be- streitet die dreiaktige Posse „Der Affe und der Brdutigam", eine Ge- legenheitsarbeit Nestroys, 1836 fur einen akrbbatisch veranlagten Tier- imitaitor verfaBt. Sie bringt das spater auch von anderen Autoren oft aufgenommene Motiv vom Affen, den man, ohne daB es viel aufflele, mit einem Menschen ver- wechselt.

Fiir die Regie hatte man sich- Axel vom Ambesser (Miinchen) ver- schrieben, der schon seit langem einem merkwiirdig „aufgemascherl- ten“ Nestroy-Stil huldigt. Das heiBt: Man glaubt, Nestroy — wie iibrigens auch Raimund — durch Ausstat- tungs- und musikalische Matzchen aulheiten zu mussen, wo man aocn Nestroy eher „vom Blatt spielen" sollte; dann ergibt sich namlich das natiirliche und hbchst vergniigliche Volkstheater, das er bedeutet, ganz von selbst. Den drei Hauptdarstel- lem in der ersten Posse (Ernst Anders, Michael Janisch, Inge Kon- radi) geriet daher manches zu laut, zu grob Oder verkrampft, ofogleich aille drei das Zeug zu echten Nestroy- Darstellem hatten. In „Affe und Brdutigam" schadet Ambessers Regieauffassung weniger, denn diese Posse ist ohnehin nur als flacher BuhnenspaB ohne tiefere Charakte- risierung zu werten. Immerhin boten Ernst Anders und Lotte Ledl etwais mehr als nur Posse. Hervor- ragend Peter P. Jost in der stummen Rolle als Affe Mamok. Hugo Gott- schlich als Herr von Mondkalb und verkleideter Affe lieB sogar etiwas von Nestroys melancholischer Illu- sionslosigkeit ahnen. Die eigene und bearbeitete Musik in allzu reich- lichem AusmaB sowie Gesangstexte stammten von Alexander Stein- brecher, Biihnenbilder und Kostiime von Elisabeth Urbancic. Es gab schlieBlich lebhaften Beifall.

Das Volkstheater lieB seine Spiel- zeit mit einem typisch franzosischen Boulevardstiick „Ein Abend zu zweit" auslaufen. Yves Chatelain nennt sein Stuck zwar eine Komb- die, der Stoff gibt aber bestenfalls einen Schwank mit vielen lockeren Pointen ab. Doch enthalt er die prachtige Rolle des Freundes aus der Provinz, der das Geplankel zwischen dem Junggesellen und der verheirateten Frau immer wieder tdpatschig stort, Rudolf Strobl ver- kbrpert ihn mit wirklich sympa- thischer Komik, neben Helmi Mareich, Louis Soldan, Dolores Schmidinger und Herbert Propst. Regier fiihrte Heinrich Trimbur. Das Publikum schien recht ver- gnugt und lachte viel.

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