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Als die Türken kamen
DIE EROBERUNG VON KONSTANTINOPEL 1453. Von Steven Run-ciman. Aus dem Englischen übertragen von Peter de Mendelssohn. Titel der Originalausgabe: The Fall of Constantinople 1453. Beck'sche Sonderausgabe 1969. XIV - 266 Seiten mit 4 Textabbildungen. DM 16.80.
„Nehmet hinweg das Hochwürdigste, löschet den Kerzenschein: sie nahmen die heilige Weisheit, sie nahmen das Großmünster ein.“ — Mancher österreichische Leser mag sich an die Klage des griechischen Volksliedes erinnern, die Andrian vorahnend zitierte, als er „Österreich im Prisma der Idee“ vor dem Fall der westlichen Kaiserstadt schrieb. Das Interesse des österreichischen Lesers kann dem neuaufgelegten Buch sicher sein, in dem ein vorzüglicher Kenner nicht nur die Belagerung, sondern die Vor-und Nachgeschichte mit vielen Einzelheiten, mit reichlichen Belegen erzählt Auch ist die Übersetzung zu loben, obwohl es möglich wäre, in stilistischen Stilwendungen und Namenschreibung einzelne Mücken zu sehen. Der Autor ist freilich ein Mensch des XX. Jahrhunderts. So erklärt er denn des längeren, daß am Verzweiflungskampf Konstantins XII. eigentlich wenig gelegen war. Hätte er im Mai 1453 die Türken abgeschlagen, so wären sie wiedergekommen, und einmal mußte die Übermacht ja siegen. Doch zugleich ist Runciman ein gewissenhafter Historiker, und so berichtet er denn, wie die Christen jener Zeiten handelten. Als sie die Stadt genommen hatten, mußten die Osmanen Trapezunt nehmen; dann noch die einsame Burg Kordyle; dann noch das ferne Mangop; dann Belgrad; dann, dann erst Rhodos; dann Sziget; dann Raab — und das haben sie nicht behalten, daher denn gegenwärtiger Rezensent den Raben im Wappen führt; und dann, ja dann sind sie vor Wien gezogen und haben es nicht bekommen. Hätten unsere Väter an den Strom der Geschichte gedacht den man nicht aufhalten kann — an die Uhr, die man nicht zurückdrehen kann, dann hätten wir keine Heurigenschenken, weil der Weinbau sofort verboten worden wäre, sobald Österreich aus den Gegebenheiten die Konsequenzen gezogen hätte. Dann gäbe es weniger Besoffene, und vielleicht wäre das ja gut. Aber unsere Väter verstanden es anders; und es ist kaum zu bezweifeln, daß das Beispiel Konstantins des Letzten sie zum Ausharren ermutigt hat.
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