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Die Tragödie eines Genialischen
Wenn Gottes geheime Formel darin besteht, wie uns Peter Plichta versichert, daß die ganze Natur in Primzahlen codiert ist, kann ich als armer beschränkter Mathematiker nicht recht sehen, warum damit das Welträtsel entschlüsselt sei. Es liegt wohl daran, daß ich durch die Denkweise der modernen Mathematik, die nach Plichta sowieso bald ein Ende haben wird, verdorben bin.
Die so moderne und oft auch berechtigte Kritk am Erklärungsvermögen der institutionalisierten Wissenschaft verschleiert hier, wie so oft, daß die „Alternativwissenschaft" noch weniger leistet. Daß in vielen Bereichen der Natur ganzzahlige Verhälthisse (und damit auch Primzahlen) eine Rolle spielen, löst überhaupt kein Rätsel, wenn man nicht erklären kann, warum es so ist. Diese Erklärung bleibt uns Plichta schuldig.
Das Buch stellt die Entstehung seiner „Alternativwissenschaft" dar. Es ist die Autobiographie eines Menschen, der von klein auf ein gewaltiges Sendungsbewußtsein mitbringt (Visionen der Mutter bei seiner Geburt spielen ebenso eine Rolle wie das Überlegenheitsgefühl dem „dummen" Zwillingsbruder gegenüber). Der hochbegabte Chemiker beginnt eine vielversprechende Laufbahn, einer bemerkenswerten Diplomarbeit folgt die Anstellung als Assistent an der Universität Köln, eine aufsehenerregende Doktorarbeit entsteht. Zur Habilitation kommt es nicht mehr, da Plichta in seiner Überheblichkeit das soziale Spiel, das Wissenschaft auch ist, nicht mitzuspielen bereit ist. Er überschätzt maßlos seine Beobachtungen von Zahlenverhältnissen im periodischen System der Elemente und vernachlässigt darüber die eigentliche wissenschaftliche Arbeit. Auch eine Industriekarriere bricht er seinen Spekulationen zuliebe ab. Da ihm sein „dummer" Brudtr, der durch Heirat zu einem enorm;n Vermögen gekommen ist, eine gutgehende Apotheke schenkt, w*d sein Herausfallen aus der „scientifc community" besiegelt. Er kann si;h jetzt voll seinen Spekulationen vidmen und wird endgültig zum Somerling, der jeden Kontakt zur Realiat verliert. Das Scheitern einer Rehe von Beziehungen zu Frauen ist dienatür-liche Folge. Sein Sendungsbwußt-sein steigt ständig, seine Tleorien werden immer absurder.
Warum ein angesehener Verlag so ein Buch druckt und warum e, sovie-le Buchhandlungen in die Ausage legen, ist mir rätselhaft.
GOTTES GEHEIME FORMEL
Die Entschlüsselung des Weltrltsels und der Primzahlencode. Von Peter Plichta.
Verlag Langen-Müller, Münckn 1995. 302 Seiten, 19 Abb., geb., öS 34).
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