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Behinderte

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Anlaß für die Meldung war, wie schon aus dem Titel ersichtlich, das liebe Geld; die wahre Tragik versteckte sich im Schlußsatz:

Das ,J?reikaufen” von der gesetzlich vorgeschriebenen Einstellungspflicht für Invaliden werde teurer, berichtete die .Presse” am Samstag. Geplant sei, die Ausgleichstaxe, mit der Unternehmen ihre Beschäftigungspflicht für einen Schwerbehinderten pro 25 Arbeitnehmer ablösen können, von derzeit 760 auf 1J500 Schilling pro Monat anzuheben.

Der Grund für die beabsichtigte Erhöhung der Ausgleichstaxen sei darin zu suchen, heißt es dann am Schluß der Meldung, daß einerseits die Behindertenzahlen steigen, andererseits aber immer weniger Behinderte in den Betrieben beschäftigt werden: Die Zahl der beschäftigen Behinderten ist seit 1975 um 8.500 auf 16.000 Personen zurückgegangen.

Und das ist meiner Meinung nach die echte Katastrophe. Denn es geht ja nicht nur, darüber wird wohl Einigkeit zu erzielen sein, um die finanzielle Absicherung der von einem harten Los getroffenen Mitbürger. Die kann und darf im wohlhabenden Österreich des Jahres 1985 kein Problem sein. Es geht vielmehr auch um die psychologische Hilfe für unsere behinderten Mitbürger, die das Gefühl haben wollen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten etwas Sinnvolles für die Gemeinschaft zu tun. Deshalb bleibt diese Entwicklung auch dann eine Katastrophe, wenn sie erklärbar wird: Weil ein einmal eingestellter behinderter Mitarbeiter praktisch unkündbar ist (die bei einem anderen Arbeitnehmer für eine Kündigung ausreichenden Verfehlungen reichen bei ihm nicht aus), wollen viele Unternehmer das Risiko nicht eingehen, einen Behinderten einzustellen, der dann seine gesetzlich abgesicherte Ausnahmesituation womöglich weidlich ausnützt (was vorkommen soll).

Ich glaube deshalb, daß auch eine Verdoppelung der ,J?reikaufstaxe” nicht zu einer verstärkten Einstellung behinderter Arbeitnehmer führen wird. Meiner Meinung nach ist das Problem nur durch die Aufgabe des praktisch absoluten Kündigungsschutzes lösbar (derzeit bedarf es der Zustimmung des Invalidenausschusses des Landesinvalidenamtes). Damit nicht einige wenige Außenseiter (die das Gefühl haben, vom Leben ohnehin schon genug bestraft worden zu sein) eine sinnvolle Einrichtung in Verruf bringen und blockieren. So paradox es klingen mag: Weniger genereller Schutz wäre eine wirkliche Hilfe für die von den Vorurteilen ungerechtfertigt getroffene Mehrheit der behinderten Mitbürger.

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