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Die Spielregeln neu definieren

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Deregulierung - ein Begriff, der aus den USA kommt. In Österreich bedeutet er meist nur Entbü-rokratisierung und Privatisierung. Das sind aber nur zwei Enden eines Feldes; dazwischen liegen noch viele regulative Probleme.

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Deregulierung - ein Begriff, der aus den USA kommt. In Österreich bedeutet er meist nur Entbü-rokratisierung und Privatisierung. Das sind aber nur zwei Enden eines Feldes; dazwischen liegen noch viele regulative Probleme.

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In den USA dreht sich die Diskussion der Regulierung weitgehend um die privaten natürlichen Monopole (siehe Kasten). Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts wurden in den USA die Bereiche des Transportwesens, des Kommunikationswesens und des Energiesektors der staatlichen Regulierung unterstellt, weil man in diesen Bereichen natürliche Monopole annahm.

Regulierung wird in den USA von speziellen Regierungskommissionen (agencies) durchgeführt. Solche Kommissionen wurden für die einzelnen Bundesstaaten und auch für das ganze Bundesgebiet errichtet. Sie haben richterliche und regelsetzende Funktionen, sind gleichsam ein verlängerter Arm des Kongresses und verfügen über Autonomie in der Administration der Gesetze mit regulatorischem Inhalt. Sie sind weder an die Weisungen des Kongresses noch an die des Präsidenten gebunden. Ihre Aufgaben nehmen sie auch in Form von öffentlichen „Hearings“ wahr, bei welchen die Bürger Parteistellung haben.

Seit Ende der sechziger Jahre nahmen die Regulierungen in den USA stark zu, was zum Teil mit gesundheits- und sicherheitspolitischen Auflagen zusammenhing. Die Zunahme der Regulierung führte zu einer verstärkten Reduktion des Wettbewerbs und zu einer Senkung der Innovati-ons- und Investitionstätigkeiten in den regulierten Bereichen im Vergleich zu den nichtregulierten Bereichen. Es kam zu beträchtlichen Preissteigerungen in den regulierten Bereichen, die auf ineffiziente Kostenstrukturen zurückzuführen sind.

Diese Preissteigerungen zusammen mit einer Ausdehnung der Bürokratie und einer zu starken Abschirmung der regulierten Unternehmen lösten in den siebziger Jahren die Deregulierungsbewegungen in den USA aus, die eine Reihe von Vorteilen brachten. Die Deregulierung des Flugverkehrs führte zum Beispiel zu einer Lockerung der Preisvorschriften and der Zulassungsbeschränkungen.

In Europa erfolgt Regulierung nicht durch unternehmensexterne Kommissionen, die den Entscheidungsraum für private Unternehmen einengen. Hier werden private Unternehmen durch Gesetze und Verordnungen sowie durch Konventionen (etwa die Paritätische Kommission in Österreich) reguliert, oder es besteht für öffentliche Unternehmen ein nur allgemeiner und kaum präzis gefaßter gemeinwirtschaftlicher Auftrag, wenn es sich bei öffentlichen Unternehmen nicht überhaupt um rechtli»-che Monopole handelt, deren Existenz fiskalisch begründet ist.

Im europäischen Zusammenhang heißt Deregulierung somit zweierlei: Erstens Abbau von Einschränkungen der Dispositionsfreiheit privater Unternehmer; Deregulierung in diesem Sinn richtet sich gegen die oft überflüssige, weil in keiner Weise wohlfahrtserhöhende Bindung des unternehmerischen Handelns an Gesetze und Verordnungen. Bei rechtlichen Monopolen und öffentlichen Unternehmen hängt zweitens Deregulierung mit Privatisierung zusammen. Rechtliche Monopole führen dazu, daß

öffentliche Unternehmen ihre Unternehmensinteressen im Schutz der öffentlichen Hand ohne Wettbewerb durch Private ma-ximieren können. Rechtlichen Monopolen gelingt es besser als privaten, die vorgeschriebenen Regulierungen den eigenen Interessen dienstbar zu machen.

Die Privatisierung von öffentlichen Monopolen und verstaatlichten Betrieben wird daher oft als Alternative diskutiert. Privatisierung ist, verglichen mit dem komplexen Begriffsinhalt von Deregulierung, ein einfaches Konzept. Privatisierung bedeutet private Beteiligung an öffentlichen Unternehmungen bis hin zur vollkommenen Eigentumsübertragung an Private. Ohne Wettbewerb ist Privatisierung allerdings nie ein Garant für eine Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Effizienz. Deregulierung und Privatisierung decken sich nicht vollkommen, auch wenn beide den Abbau des staatlichen Einflusses mit den Vorteilen freier, das heißt unregulierter, unternehmerischer Entscheidungen rechtfertigen.

Bei öffentlichen Unternehmen kommt es neben der Schaffung der Voraussetzungen für potentiellen Wettbewerb auch auf eine Verbesserung der bestehenden Regulierung an, denn die Manager neigen in öffentlichen und privaten Unternehmen dazu, die Unternehmensziele den eigenen Interessen unterzuordnen. Effiziente Regelung öffentlicher Unternehmen bleibt daher ein wichtiges Anliegen in der Diskussion.

Der Autor ist Referent der wissenschaftlichen Abteilung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft.

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