Schwarze Weihnachten

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Daniel Wisser erinnert an jene, die kein Weihnachten haben und nichts davon haben.

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Daniel Wisser erinnert an jene, die kein Weihnachten haben und nichts davon haben.

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Die Gruppe der Weihnachten-Feiernden gliedert sich in vier Untergruppen: 1. Die Kinder, die noch an das Christkind glauben und deren Freude wohl das Schönste an Weihnachten ist. 2. Die, die nicht mehr da­ran glauben und sich trotzdem über Geschenke freuen. 3. Die Erwachsenen, die es allen recht machen wollen (den Kindern, Eltern und Großeltern) und schon seit Tagen und Wochen he­rumflitzen, um noch alles hinzukriegen. Und 4. jene, die Weihnachten ignorieren, weil es purer Stress ist.

Aber es gibt auch eine fünfte Gruppe: die, die kein Weihnachten haben und nichts davon haben. Früher galt ihnen in der Wohlstandsgesellschaft noch etwas Aufmerksamkeit. Und auch wenn es vielleicht auch immer ein wenig naiv und verlogen und herablassend war, von denen zu sprechen, die wenig oder nichts haben, und ihnen zu spenden, so war doch das soziale Bewusstsein in meiner Kindheit, das sich immerhin mit der Existenz der Armut beschäftigt hat, größer als heute. Heute ist von den Armen nicht die Rede. Das heißt: Es ist schon von ihnen die Rede, wenn sie in Wahlkampf­reden erwähnt werden, zum Beispiel als Flüchtlinge, die abgeschoben, aufgehalten und überhaupt weniger werden müssen und die man nicht retten soll, wenn sie im Meer ertrinken.

Das mangelnde und stets sinkende Bewusstsein dafür, dass unser Wohlstand auf der Ausbeutung anderer Menschen und der Umwelt basiert, geht mit dem Dauergequatsche über Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit einher, die beide in den letzten vierzig Jahren plakatiert wurden, aber keinerlei konsequentes und effizientes Handeln nach sich gezogen haben. Die westliche Welt ist nicht bereit, etwas zu geben – und daher bekommt sie auch nichts. Es sind schwarze Weihnachten, und der Unfriede, der uns umgibt, ist das Ergebnis unseres eigenen Egoismus.

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